Das Rote Palais - Die Totenwächterin / Der Gottvampir / Die Schattenpforte: Special-eBook-Edition Trilogie (German Edition)
Sie schon einmal vom Ra g marök gehört?“
Jetzt stöhnte Jarno laut auf. „Ach, Alois, jetzt fang nicht damit an.“
„Warum sperrst du dich dagegen, dass es außer uns Menschen noch etwas anderes auf der Welt gibt, mein Junge?“
Jarno stieß ein entrüstetes Keuchen aus. „Ich sperre mich nicht dagegen. Wie sollte ich auch, nachdem ich am eigenen Leibe e r fahren musste, dass deine Geschichten überhaupt keine waren, sondern den nackten Tatsachen entsprechen.“ Leyla legte ihm b e schwichtigend die Hand auf die Schulter, während Alois sie irritiert anblinzelte. „Hast du eine A h nung was es bedeutet, wenn man auf einmal Dingen begegnet, die man bislang für Fant a sie gehalten hatte?“ Jarnos Gesicht verzog sich schmerzvoll.
„Meine Güte, Junge, was ist dir widerfahren?“ Besorgt verdunkelte sich das faltige G e sicht des Alten.
„Vampire“, antwortete Leyla an Jarnos Stelle. Irgendwie war es ihr ein Bedürfnis, das Missverständnis zwischen den beiden Mä n nern zu beseit i gen. „Ihr Neffe war jahrelang Vampirsüchtiger. Er hat sowohl seinen Körper als auch sein Blut verkauft. Nach allem, was ich bisher mitbekommen habe, dürfte er in diese Szene hineingeraten sein, als er noch dachte, Vampire seien Märchengesta l ten.“ Sachte streichelte sie über Jarnos Arm. Ein leic h tes Zittern durchlief ihn. Ihr war schon lange klar, dass hinter der kecken Fassade ein se n sibler Junge steckte.
Tief betroffen kam der alte Mann auf sie zu. „Ich hatte keine A h nung, Jarno. Ich habe dir nie vorgemacht, Märchen zu erzählen. Und mittlerwe i le weiß ich, dass ich recht hatte …“
Jarno hob den Kopf und blickte mit feuchten Augen auf Alois. „Das weiß ich doch, ich war es, der es sich eingeredet hatte, bis ich eines Tages meinen ersten Vampir traf …“ Er stockte und drehte sich um, als müsse er seine Fassung wiede r gewinnen.
Stutzig geworden ließ Leyla ihren Blick über die auf einem abseitsstehenden Schreibtisch ausgebreiteten Notizen gleiten. Die kr a kelige Schrift war nicht entzi f ferbar. Zweifellos war der alte Mann ein netter Kerl und hochbegabt obendrein. Doch das kam ihr seltsam vor. Ein gestandener Astrophysiker, der sich leidenschaftlich für mystische Begebenheiten einsetzte, erschien ihr wide r sprüchlich. Fürs Erste konnte man daraus mögl i cherweise einen Nutzen ziehen, zumindest schien Alois den Grenzwissenschaften gegenüber aufgeschlo s sen zu sein.
„Vor einigen Monaten begegneten wir dem Götterpaar Iduna und Bragi.“ Einem unb e stimmbaren Gefühl folgend, schien ihr die Wahrheit angebracht, auch wenn sie am unwahrscheinlich s ten klang.
„Sie sind ihnen begegnet?“, stieß Alois aus und vergaß, seinen Mund zu schli e ßen.
„Ja. Allem Anschein nach bemächtigen sich Götter weltlicher Körper, wenn sie hierherkommen. Besser gesagt, vampirischer Körper, da diese strapazierfähiger sind. Wenn Sie wissen, was ich meine.“
In seinem Gesicht zeichnete sich eine Vielzahl von bedeutungsvollen Regungen ab. „Ich kann es mir vorstellen.“
„Dann kannst du dir sicher vorstellen, wie seltsam es klingt, wenn du den Ragmarök e r wähnst, wenn du eben noch das Gerede von Weltuntergangspredigern infrage gestellt hast.“ Während er sprach, drehte sich Jarno zu ihnen um. Sein Gesicht spiegelte Ve r unsicherung. „Ich meine, Ra g marök ist der Weltuntergang.“
Alois hob beschwichtigend die Hände. „So habe ich es nicht gemeint. Ich wusste nicht, dass ihr beide so weit in das Thema ei n geweiht seid. Für gewöhnlich benutze ich den Ragmarök einleitend, wenn ich über altge r manische Gottheiten und ihre Präsenz in Midgard spreche. Ich wollte damit sagen, dass ich ein Einwirken der Götter auf die momentane We t tersituation in Krinfelde nicht ausschließen kann. Meiner Meinung nach könnte es sich bei dem mythischen Ragmarök um eine künstlich hervorgerufene Su b raumverzerrung ha n deln. So abwegig finde ich den Gedanken nicht, denn … “
Er stockte und vollzog eine wegwerfende Handbewegung. Dabei wirkte er, als wäre ihm gerade noch gelungen, sich daran zu hindern, zu viel zu verraten. Leyla beobachtete das Gesicht des Mannes. Doch seine Miene hatte sich ve r steinert, als hätte man einem Roboter die Energiezufuhr gekappt. Einen M o ment schwiegen sie, um ihre Gedanken zu ordnen.
Ausgerechnet den in der nordischen Mythologie erwähnten Weltuntergang Ragmarök als einleitendes Beispiel für Vorträge zu wählen, fand Leyla gewagt. Zumal Alois ihr
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