Das Rote Palais - Die Totenwächterin / Der Gottvampir / Die Schattenpforte: Special-eBook-Edition Trilogie (German Edition)
dampften auf dem Bahnhofsplatz vor sich hin. Einige waren in die Kanalis a tion geflüchtet. Hoffentlich blieben sie dort und waren zurückg e kehrt in ihre Welt. Immer mehr Menschen traten vorsichtig ins Freie, nachdem sie stundenlang in Verstecken verharrt oder gekämpft hatten. Dicht beieinander blieben sie stehen, als suc h ten sie Trost.
„Es ist großartig, das Leben“, verkündete eine Frau mit beseeltem L ä cheln.
Der Wind trug ihre Worte davon, erreichte die Herzen der Überlebenden auf dem Bahnhofsvorplatz, vereinte sie in einem G e fühl längst vergessener Gemeinschaft. Zuversicht überkam Leyla, als Jarno ihre Hand ergriff. Wie ein zu groß geratener Junge blic k te er sie an.
„Der Drachentöter kommt“, sprach er mit Tränen in den Augen.
Gerührt presste Leyla die Lippen zusammen. Ein bisschen sorgte sie sich um Jarnos Geisteszustand. Hoffentlich stand er nur u n ter Schock. Der Drache hingegen zog seine Kreise in weiter Höhe. Sämtliche Unterweltvampire waren vertilgt und sein Interesse schien erloschen. Zumindest sah es danach aus. Seltsam desorientiert wirkten die Flugbahnen des Tieres, das nun bedeutend wen i ger Furcht einflößend wirkte.
„Er findet nicht allein zurück“, sagte Leyla mehr zu sich selbst. Die Erkenntnis, dass keine u n mittelbare Gefahr für sie bestand, genau genommen nie bestanden hatte, ließ sie erleichtert lächeln. Jemand musste dem Dr a chen seinen Weg zeigen. Ratlos ließ sie ihren Blick über den Platz schweifen. Eine Handyverbindung ins Reich der Götter wäre jetzt hilfreich. Denn woher sollte das my s tische Wesen sonst kommen?
Vielleicht kam es ihr nur so vor, doch die Sonne schien es mit einem Mal eilig zu haben, ihr kurzes Gastspiel zu beenden. Wä h rend die Schatten länger wurden, senkte plötzlich der Drache seinen Flug. Ein erschrecktes Raunen ging durch die Me n ge. Sofort warfen sich die Menschen verängstigt auf den Boden. Zielsicher schwebte das Tier auf das Dach des A u rodom zu, glitt langsam über ihre Köpfe hinweg, präsentierte die Pracht seines schimmernden Gefieders. Leyla blickte dem Drachen hinte r her und nahm plötzlich eine Bewegung auf dem Dach des Kinos wahr. Das Raunen einiger Menschen zeigte, dass es nicht nur ihr aufgefallen war. Mit weit erhobenen Armen standen drei Männer in luftiger Höhe, als loc k ten sie mit ihrer Geste den Drachen an. Hinter ihnen türmten sich Wolken, wie zur Insz e nierung des Endes der Welt.
Gebannt schlug Leyla eine Hand vor die Brust, als sie Rudger erkannte. Einer Statue gleich, stand er zwischen Boris und Sergej auf dem Dachsims. Sie befürchtete, der Drache könne die drei als Nachtmahl ansehen. Nach Halt suchend griff sie Jarnos Ärmel. Irgendwie gelang es den Vampiren, den Drachen auf sich aufmerksam zu machen. Über ihnen zuckten Blitze, gefolgt von Donne r grollen, als wollten die Naturgewalten dem Ereignis den passenden Rahmen geben. M a jestätisch schwebte das Tier über sie hinweg, legte den Kopf schief, als würde es einer nur für sich wahrnehmbaren Stimme la u schen. Unglaublich, dass dieses Wesen sich vor Kurzem verhalten hatte wie ein Elefant im Porzellanladen. Fasziniert beobachteten die Leute das sich biete n de Schauspiel.
Ein Ruck ging durch den riesigen Körper des Drachen. Im nächsten Moment drehte er ab, flog eine elegante Schraube und schoss in rasender Geschwindigkeit über das Dach des Aur o dom davon. Schon nach einigen Sekunden war von ihm nichts mehr zu sehen als ein Punkt am nachtblauen Himmel. Zurück blieb eine bedächtige Stille. Hier und da hörte sie erleichtertes Aufa t men und Murmeln. Oben auf dem Dach senkten die Männer mit nahezu bedächtigen Bewegungen ihre Arme. Obwohl niemand genau wusste, was geschehen war, ertönten die ersten fre u digen Rufe aus der Menge. Die Menschen fingen an, zu klatschen. Ihr Applaus galt den drei Helden – den Drachent ö tern.
Rudgers Blick fand sie problemlos in der Menge. Gleichermaßen fasziniert wie ungläubig schüttelte Leyla den Kopf, als sie zu ihm hochsah. Ein Schluchzen zog ihre Kehle zusa m men. Bevor sie vor aller Welt zu heulen anfing, rannte sie auf den Eingang des Kinos zu. Unterdessen sprang Rudger vom Dachsims, benutzte Fensterbänke als Stufen, erreichte das Vordach mit den Schaukä s ten für Filmplakate. Unten wichen die Leute zur Seite, damit Rudger mit einem einzigen Satz den Boden e r reichen konnte. Wie Flügel bauschte sich sein Mantel noch hinter ihm auf, da lief er bereits durch die
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