Das Rote Palais - Die Totenwächterin / Der Gottvampir / Die Schattenpforte: Special-eBook-Edition Trilogie (German Edition)
Flammen. Übe r all rannten Leute rum. Hat gedauert, bis ich Onkel Alois gefunden habe.“ Er stockte und biss sich auf die Unte r lippe. „Ich weiß nicht, ob die Feuerwehr den Brand löschen konnte.“
Leyla legte ihm tröstend die Hand auf den Arm. Gerne hätte sie ihm gesagt, alles sei vorbei, die Sonne würde bald die letzten Kreaturen vernichtet haben. Doch weder ihr Gefühl noch der wi e der entfachte Kampf um sie herum zeugten davon.
„Wo ist dein Onkel?“, fragte sie in der Hoffnung, dass der alte Mann wohlauf war.
Jarno blickte sie mit glänzenden Augen an. „Im Palais. Ich habe ihn hergebracht, weil es in Bochum nichts mehr gab, wo er hi n konnte.“
„Das ist in Ordnung“, entgegnete sie erleichtert.
Schreie kamen von der Stelle, an dem der Hubschrauber abgestürzt war. Da war es wi e der, dieses Geräusch, das dem der Rotoren zum Verwechseln ähnlich war. Doch der Hel i kopter war zerstört. Hastig suchte Leyla den Himmel ab, um herauszufinden, ob sich möglicherweise ein weiterer Flieger näherte. Gleichzeitig erkannte sie, dass das Geräusch ihr auf seltsame Weise vertraut und gleichzeitig widersinnig vorkam. Und ganz sicher nichts M e chanisches an sich hatte. Plötzlich dämmerte es ihr. Flügelschlagen. Was sie da hörte, waren die schwungvollen Antriebsbewegu n gen von den Hautsäumen und Federn eines Vogels. Bei dieser Lautstärke müsste der Vogel unmittelbar an ihrem Ohr vorbeifliegen. Oder überm ä ßig groß sein.
Der Schatten erhob sich genau an der Stelle, wo im fehlenden Dachstuhl des Verwa l tungsgebäudes eine gewaltige Lücke klaffte. Für einen Moment schien die Dunkelheit zurückgekehrt zu sein, bis Leyla begriff, dass es die stromlinienförm i gen Doppelfächer eines überdimensionalen Flugtieres waren. Mit ausgebreiteten Flügeln schoss es über die Gebä u deruine. Federn in den schillernden Farben des Himmels bedeckten fast den ganzen Kö r per. Das konnte nicht wahr sein. So sah kein Vogel aus. Der lange Hals wies eine metallisch blau glänzende Schuppe n schicht auf und mündete in einem raubtierartigen Kopf mit dem Maul eines Krokodils. Mit einem Vogel hatte das Wesen nicht viel gemein, auch wenn seine baggerschaufelgroßen Adlerklauen eine Äh n lichkeit vermuten ließen. Doch es waren vier krallenartige Extremitäten, die sich aus dem befiederten Leib dehnten, wie das Fahrgestell eines Flu g zeugs, wenn es zur Landung ansetzt. Im Sturzflug raste das Untier über die Hansastraße. Sägte mit seinen Flügeln die Wartehäu s chen der Straßenbahnstationen nieder, mähte junge Bäume auf den Grünstreifen um wie Grashalme. Menschliche Kö r per wurden durch die Luft geschleudert, wenn sie sich nicht rechtzeitig flach auf den Boden pressten. Sie konnte gerade noch auswe i chen. Beinahe wäre sie über eine Leiche am Boden gesto l pert.
„Nidhöggr.“ Mit weit aufgerissenen Augen starrte Jarno gebannt auf das Fabe l wesen.
„Was ist das?“, keuchte Leyla. Das Wort klang wie Kauderwelsch in ihren Ohren. Um sie herum stoben die Menschen in die u m liegenden Gebäude. Panisch suchte sie nach einer Möglic h keit, sich ebenfalls in Sicherheit zu bringen. Mehrfach musste sie an Jarnos Ärmel zerren, damit er sich in Bewegung setzte. Gemeinsam stürzten sie durch den zerstörten Eingang in den Hauptbah n hof. Scherben knirschten unter ihren Füßen, als sie in die scha t tige Halle traten. Mehrere Menschen pressten sich Schutz suchend gegen das dicke Mauerwerk. Nachdem der Zustrom von Vampiren aus der Unterwelt aufgehört hatte, bot die Bah n hofshalle wieder einen vermeintlichen Schutz. Allerdings sahen das die verbliebenen Unterweltvampire ebenso und machten Anstalten, sich dorthin zu begeben, wo sie herg e kommen waren. Mehr kriechend als laufend bewegten sie sich voran. Warfen gehetzte Blicke über ihre Schultern auf den unbezwingbaren Gegner in der Luft. Gemeinsam mit ein paar Scharfschützen postierte sich Leyla vor den Ei n gang. Von dort aus schoss sie auf die herannahenden Vampire.
„Der Menschenwürger“, flüsterte Jarno neben ihr. Vorsichtig spähte er über ihre Schu l ter.
„Was für ein Ding? Ein vorzeitlicher Flugsaurier?“ Schnell lud sie ihre Waffe nach. Mit einem festen Hieb ließ sie das Magazin einrasten.
„Ein Drache. Am Ende des Ragnarök kommt er um die entseelten Leiber auszusaugen“, rez i tierte Jarno.
Leyla starrte ihn an. Einen Moment überlegte sie, ob er diesen entrückten Gesichtsausdruck schon hatte, bevor er anfing, unz u
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