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Das rote Zimmer

Titel: Das rote Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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an.«
    Der schnelle Themenwechsel überraschte mich. »Ich bin gekommen, weil Oban mir ausgerichtet hat, Sie wollten mich sehen. Aber ich schulde Ihnen tatsächlich Dank.
    Ohne Sie wäre ich wahrscheinlich gestorben. Sie haben mir das Leben gerettet.«
    »Das wird man mir doch bestimmt anrechnen, nicht?
    Dass ich Ihnen das Leben gerettet habe.«
    »Man wird es ganz sicher berücksichtigen«, antwortete ich.
    »Ich habe kooperiert«, fuhr sie fort. »Ich habe der Polizei alles gestanden. Haben Sie die Zigaretten dabei?«
    Ich griff in meine Jackentasche und zog vier Schachteln heraus. Nachdem ich mich kurz umgeblickt hatte, schob ich sie zu ihr hinüber. »Ist das in Ordnung?«, fragte ich.
    »Solange sie noch original verpackt sind, ist es kein Problem. Sie befürchten bloß, dass man etwas hereinschmuggeln könnte.« Sie nahm eine Zigarette aus ihrer eigenen, bereits offenen Schachtel und zündete sie sich an. »Vorher habe ich nur noch eine Zigarette pro Woche geraucht, aber seit ich hier bin, denke ich mir: Warum nicht mehr? Es gibt hier nicht viel anderes zu tun.«
    »Das kann ich mir vorstellen.«
    Sie sah sich um und lächelte. »Ein ziemlicher Tapetenwechsel«, meinte sie. »Man rechnet nicht damit, eine Frau wie mich an einem solchen Ort anzutreffen, stimmt’s?«
    Ich musterte sie, die Frau, die Lianne, Philippa und Michael Doll auf dem Gewissen hatte, und betrachtete dann die anderen Mitleid erregenden Frauen, die aus irgendeinem Grund einen Zusammenbruch erlitten hatten oder in Panik geraten und durchgedreht waren, weil sie ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen konnten.
    »Ich lernte Gabe am College kennen. Er war jedermanns Liebling. Ich hatte vor ihm erst zwei Freunde gehabt und verliebte mich Hals über Kopf in ihn. Ich hielt mich für das glücklichste Mädchen der Welt. Eine Ironie des Schicksals, nicht wahr? Wäre ich nicht das Mädchen gewesen, das sich Gabe Teale geschnappt hat, dann säße ich jetzt nicht hier.«
    »Ich nehme an, so könnte man immer argumentieren«, entgegnete ich. »Das ist nun mal der Lauf der Welt. Eins führt zum anderen.«
    »Damit kann ich schlecht leben. Ich habe eher das Gefühl, in diese Lage gedrängt worden zu sein. Ich glaube, ein guter Mensch zu sein. Und ich habe Gabe geliebt, stand unter seinem Einfluss, und unter diesem Einfluss habe ich eine Entscheidung getroffen, das heißt, ich geriet in eine bestimmte Situation, und dann geriet ich in eine andere, bis ich es nicht mehr ertragen konnte. Endlich kämpfte ich dagegen an. Das war bei der Sache mit Ihnen.
    Und jetzt bin ich hier.«
    Sie schwieg einen Moment, wartete auf eine Antwort, aber ein Gefühl von Abscheu schnürte mir die Kehle zu, sodass ich kein Wort herausbrachte. »Wissen Sie, was das Komischste daran ist?«, fuhr sie fort. »Als ich Sie kennen lernte, nun ja, nicht im Krankenhaus, aber am nächsten Tag, als Sie zu uns kamen, da hatte ich das Gefühl, dass Sie die Sorte Frau wären, die ich gern als Freundin hätte.
    Mit der ich gern zum Essen gehen und über alles reden würde.«
    Ich bekam kaum Luft. Trotzdem musste ich irgendetwas sagen. Es kostete mich bereits große Anstrengung, einen ruhigen Ton anzuschlagen. »Haben Sie das bei Lianne nicht so empfunden?«, fragte ich. »Oder bei Philippa?
    Dass sie Ihre Freundinnen hätten sein können? Dass sie menschliche Wesen mit Hoffnungen und Ängsten waren, genau wie Sie? Mit einer Zukunft?«
    Sie drückte ihre Zigarette in den kleinen Aschenbecher aus Alufolie, der vor ihr auf dem Tisch stand. In diesem Raum gab es nichts, was man packen und jemandem an den Kopf werfen konnte. »Ich wollte Sie sehen, weil mir sonst niemand eingefallen ist, mit dem ich sprechen könnte. Ich dachte, Sie würden mich verstehen, mich nicht verurteilen. Wie geht es übrigens Gabe? Haben Sie ihn gesehen?«
    »Tut mir Leid«, antwortete ich. »Ich habe strikte Anweisungen, mit Ihnen nicht über Gabe zu sprechen. Das hat natürlich juristische Gründe. Aber es geht ihm besser.
    Körperlich, meine ich.«
    »Gut«, sagte sie. »Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, bei Ihnen. Sie kennen sich doch mit solchen Dingen aus, nicht wahr? Ich habe über alles genau nachgedacht. Ich habe Ihnen das Leben gerettet. Das zählt doch als mildernder Umstand, oder?«
    »Möglich«, erwiderte ich. »Aber vielleicht bin ich da nicht unvoreingenommen genug.«
    »Ich finde es unfair, dass wir beide wie Mörder behandelt werden, als wären wir beide in gleichem Maß für das verantwortlich, was

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