Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
Hand eine Birkenrute. Er schlug die Kapuze zurück, wodurch sein kahler und vernarbter Schädel zum Vorschein kam. Als er zur Schenke schritt, knirschte der Schnee unter seinen Stiefeln.
»Herr, wartet – bitte«, sagte Michels Vater.
Guiscard wandte sich um und starrte ihn an. Michel hatte diesen Blick schon oft gesehen. Du hast kein Recht, mich anzusprechen, schien er zu sagen. Du bist Abschaum, weniger wert als der Dreck an meinen Sohlen. Ich sollte dich für diese Unverschämtheit töten. Guiscard schaute alle Leibeigenen auf diese Weise an.
Michels Vater ließ sich jedoch nicht einschüchtern. »Es ist ein harter Winter, Herr«, sagte er. »Pierre hat gewildert, damit er nicht hungern muss. Habt Gnade mit ihm, und wir werden dafür sorgen, dass er es nicht wieder tut.«
Michel kaute auf seiner Lippe. Guiscards Faust ballte sich um die Birkenrute, als erwäge er, anstelle des Köhlers Michels Vater zu züchtigen.
»Es spielt keine Rolle, warum er es getan hat«, erwiderte der Ritter harsch. »Gesetz ist Gesetz, und es gibt keine Ausnahmen. Wann lernt ihr Hörigen das endlich?«
Mit schweren Schritten ging er zur Schenke. Einer der Kriegsknechte zückte einen Dolch, zerschnitt Pierres Kittel und entblößte den bleichen Rücken des Köhlers.
Guiscard holte aus. Pierre schrie vor Schmerz, als die Birkenrute auf seine Haut klatschte. Wieder und wieder schlug der Ritter zu, sodass Pierres Rücken bald von blutigen Striemen überzogen war. Obwohl Michel den Anblick kaum noch ertrug, war er nicht imstande, sich abzuwenden. Mit angehaltenem Atem saß er da und spähte durch das Mauerloch, wie gebannt von dem schrecklichen Geschehen vor der Schenke.
Erst als Vivienne zu weinen anfing, konnte er sich losreißen. Er setzte sich zu ihr aufs Schlaflager und redete beruhigend auf sie ein. Es half nichts – sie weinte nur umso heftiger. Michel wusste sich nicht anders zu helfen, als ihr die Ohren zuzuhalten, damit sie Pierres Schreie nicht mehr hören musste.
Irgendwann verstummte der Köhler.
»Was ist passiert?«, fragte Michel seinen Bruder, der immer noch durch das Luftloch lugte.
»Der Herr hat aufgehört«, antwortete Jean.
»Und Pierre – ist er … ist er tot?«
»Ich weiß nicht …«
Viviennes Angst hatte sich etwas gelegt, und sie weinte nicht mehr. Michel gab ihr ihre Puppe, eilte zum Mauerspalt und blickte zur Schenke. Pierre hing reglos an seinen Fesseln, sein Rücken eine einzige Wunde. Ob er tot war oder nur ohnmächtig, konnte Michel nicht erkennen. Einer der Kriegsknechte grinste die Dorfbewohner verächtlich an.
Guiscard warf die Birkenrute in den Schnee und stieg in den Sattel. »Schneidet ihn los«, befahl er.
Michels Vater und zwei weitere Dorfbewohner, Jacques und Renier, liefen zu Pierre und lösten seine Fesseln. Der Köhler stöhnte, als die drei Männer ihn bäuchlings auf den Boden legten. Michels Vater murmelte etwas, und Renier eilte über den Platz.
»Der Nächste, den ich beim Wildern erwische, kommt nicht so glimpflich davon«, sagte Guiscard. »Er wird hängen, so wahr mir Gott helfe. Also lasst euch das verdammt noch mal eine Lehre sein.«
Der Ritter gab seinem Pferd die Sporen und ritt von dannen. Seine Kriegsknechte folgten ihm im Laufschritt.
Endlich erwachten die Dörfler aus ihrer Erstarrung. Sie strömten zur Schenke und redeten aufgebracht durcheinander. Die eine Hälfte beschimpfte Pierre für seine Dummheit, die andere machte ihrer Wut über die überzogene Strafe Luft. Der alte Odo schüttelte gar die Faust in Richtung der Hügel, wo Guiscards Landgut stand, und rief ein paar äußerst derbe Flüche.
»Halt den Mund, Dummkopf!«, brachte Julien ihn zum Schweigen. »Oder willst du auch halbtot geprügelt werden?«
Kurz darauf kam Renier zurück. Bei ihm war Eloise, die Hebamme, die wie immer ihren weiten, tausendmal geflickten Kittel trug. Michel war froh, dass man sie geholt hatte. Von allen Bewohnern der Hügel verstand sie am meisten von Heilkunst. Als Michel im vergangenen Winter krank gewesen war, hatte die Hebamme ihm einen Kräutertrunk gebraut, der scheußlich geschmeckt, ihn aber binnen zwei Tagen von seinem Fieber kuriert hatte. Bei ihr war Pierre in guten Händen.
»Aus dem Weg«, sagte sie mit befehlsgewohnter Stimme, woraufhin die Dorfbewohner ihr Platz machten.
Michels Vater und Jacques hatten Pierres Rücken derweil mit Stoffstreifen verbunden. Eloise sah sich die Arbeit an und nickte knapp. »Bringt ihn in meine Hütte.«
Jemand holte eine
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