Das Schapdetten-Virus - Kriminalroman
Er wird ja seine eigene Tochter nicht an die Polizei verpfeifen.«
»Selbst wenn ich es wollte, ich könnte es nicht, Gesine. Ich weiß wirklich nicht, wo die Affen sind. Sie stecken irgendwo hier in der Nähe, und da gibt es Tausende von Möglichkeiten.«
»Verdammter Mist«, fluchte ich.
Koslowski schaltete das Gerät aus. »Das war’s dann wohl für heute.«
War es dann allerdings doch noch nicht. Mitten in der Nacht, besser gesagt, in den frühen Stunden des Sonntagmorgens, gab es noch eine Abschlussbesprechung im Hauptbüro von Security Check am Prinzipalmarkt. Alle Anwesenden waren mindestens achtzehn Stunden auf den Straßen des Münsterlandes unterwegs gewesen und hingen müde und grau in den Sesseln. Selbst Kerstin hatte ihren frischen ländlichen Teint verloren.
In Anbetracht der Umstände ging die Sitzung als eine der kürzesten in die Protokolle von Sec Check ein. Koslowski und ich erfuhren, dass Yvonne Holtgreve vom Café Regenbogen direkt zum Haus ihrer Eltern gefahren und dort geblieben war, unsererseits berichteten wir knapp das Wissenswerteste über die Doppelexistenz von Harald Gausepohl und Desmond Solo.
Anschließend wurden die Aufgaben der nächsten Tage verteilt. Das Coesfelder Team sollte anhand der Fotos, die wir von den Gästen des Café Regenbogen geschossen hatten, den Kreis der Verdächtigen einengen, Koslowski überwachte weiterhin Solo/Gausepohl, ich übernahm Yvonne Holtgreve.
Jedoch erst ab Montagmorgen. Denn in einem Anfall von ungeahnter Großzügigkeit spendierte uns Sigi einen freien Sonntag.
Da es keinen Sinn machte, Aische zu wecken und eine schlafende Sarah durch die Gegend zu tragen, fuhr ich zu meiner Wohnung im Kreuzviertel. Nachdem ich mich ausgezogen und eingecremt hatte, musste ich feststellen, dass ich viel zu übermüdet war, um einzuschlafen zu können. Also starrte ich an die heller werdende Zimmerdecke und dachte über Sarah, Imke und mein gescheitertes Berufsleben nach. Als ich mir endlich genug Selbstvorwürfe gemacht hatte, sackte ich in einen unruhigen Schlaf.
Vom zu kurzen und unerquicklichen Schlaf gerädert, holte ich Sarah am späten Vormittag ab. Wir fuhren zum münsterschen Allwetterzoo, der seinem Namen alle Ehre machte. Zuerst schien die Sonne, dann regnete es, schließlich gab es beides zusammen und einen Regenbogen obendrauf.
Sarah interessierte sich mehr für den Kinderspielplatz als für das tierische Beiwerk. Ich sah andere Kinder, die ihre Tamagotchis, elektronische, japanische Bildschirmtiere, fütterten. Wenn die Entwicklung so weiterging, würden Zoos mit lebenden Tieren bald überflüssig sein. Die Milchzahngeneration konnte man eher mit Computeranimationen locken, Löwenstreicheln im Cyberspace etwa oder dem per Joystick steuerbaren Ringkampf zwischen Gorilla und Grizzly.
Als der nächste Regenschauer einsetzte, gelang es mir doch noch, Sarah ins Affenhaus zu locken. Knallhart diktierte sie die Bedingung für den von mir vorgeschlagenen kleinen Rundgang: zwei Eis am Stiel. Ich willigte ein, was blieb mir anderes übrig.
Sarah mochte mich immer noch, auch wenn sich der Schatten von Chris, Imkes lackaffigem Lebensgefährten, zwischen uns schob. Und ich hielt Sarah für das Beste, was mir in meiner bislang einzigen und ziemlich kurzen Ehe passiert war. Eine Ehe, die von vorneherein ein großes Missverständnis war. In den Jahren, die Imke im Gefängnis verbrachte, nachdem sie die Spitze des Lambertiturms in die Luft gejagt hatte, erträumten und liebten wir wohl beide Idealbilder des jeweils anderen. Die Realität in Freiheit und Kleinfamilie konnte damit nicht konkurrieren. Wie bei zwei Planeten, die sich nach langer Parallelfahrt durchs All endlich vereinen, gab es den großen Knall.
»Und nun?«, fragte ich Sarah. Es tat mir leid, dass ich so wenig Zeit für sie übrig hatte.
»Wann gehen wir wieder zu Aische?«, fragte sie zurück.
Sie hatte sich in den letzten Tagen mit den Kindern von Aische angefreundet. Mein Renommee war dabei eindeutig angekratzt worden. Aber ich war zu müde und zu frustriert, um es kurzfristig aufzupolieren.
Auf dem Weg zu Aisches Wohnung hielt ich an einer Bäckerei und kaufte eine Ladung Kuchenstücke. Und dann machten wir uns einen süßen und kalorienreichen Sonntagnachmittag.
IX
Am Montagmittag parkte ich vor dem Heriburg-Gymnasium in Coesfeld und beobachtete die herausströmenden Schüler, die den üblichen Lärm von Heranwachsenden veranstalteten. Von Frau Holtgreve hatte ich
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