Das Schapdetten-Virus - Kriminalroman
anfangen zu saufen.
Nach der zweiten Flasche spürte ich eine große Verlockung, zur Raststätte hinüberzuschlendern, um den anhaltenden Durst mit ein paar frisch gezapften Gläsern zu löschen.
Aber ich widerstand. Und kurz darauf schlief ich ein.
XII
Ich wurde vom Klingeln des Handys geweckt. Ein Blick auf das Armaturenbrett verriet mir, dass es sieben Uhr morgens war. Nicht einmal auf der Autobahn durfte man ausschlafen.
»Sascha Wallmoden«, rasselte eine Stimme, die sich nach einem berufsmäßigen Schnellsprecher anhörte. »Ich bin Mitarbeiter von Tele Quick , das ist eine Produktionsfirma, die private Sender, hauptsächlich RTL , mit Beiträgen aus NRW beliefert.«
»Wie schön für Sie«, sagte ich.
»Wir sind daran interessiert, ein Interview mit Ihnen zu machen.«
»Aha.«
»Sie werden sich vielleicht fragen, wie wir an Ihre Handynummer gekommen sind.«
»Nun …«
»Connections. Ohne Connections läuft nichts in unserem Job. Wir haben Drähte zu, ich sag mal, informationsrelevanten Stellen bei der Polizei. Nicht nur zur Polizei, natürlich. Sonst würden wir hoffnungslos hinten anstehen.«
Ich schaute aus dem Fenster. Zwischen den anderen Reisemobilen wuselten bereits Leute in Shorts und T-Shirts herum. Reisemobilisten waren eine Gemeinde von Frühaufstehern.
»Stimmt es, dass Sie als Letzter mit den Tierbefreiern gesprochen haben?«
»Ist das schon das Interview?«, fragte ich.
»Nein, die Vorbesprechung. Wir brauchen selbstverständlich Bilder. Am liebsten von den Äffchen und dem Veganen Kommando, schön gruftig mit schwarzen Kapuzen und so.«
»Keine Chance«, ließ ich ihn abblitzen.
»Dann von Ihnen. Wir können Ihr Gesicht und Ihre Stimme unkenntlich machen. Sie klingen dann ein bisschen kehlkopfamputiert, das kommt immer gut.«
»Wie viel?«, fragte ich.
»Was?« Zum ersten Mal wurde er einsilbig.
»Wie viel?«, wiederholte ich.
»Sie meinen Knete, Schotter, Dollars?«
»Demark.«
»Da kann ich Ihnen keine Zusage geben, wir haben nur ein kleines Budget. Aber ich könnte beim Sender nachfragen. An wie viel haben Sie denn gedacht?«
»Zehntausend.«
Er lachte für den Bruchteil einer Sekunde. »Absolut unrealistisch. Das kriegt gerade mal der Kontrabassist eines berühmten deutschen Orchesters, wenn er in Israel seine Hotelrechnung mit Adolf Hitler unterschreibt.«
»Hat der nicht Hunderttausend verlangt?«
»Ja, aber nicht bekommen.«
Wir einigten uns auf Fünftausend, zahlbar in gebrauchten Hundertmarkscheinen. Als Treffpunkt vereinbarten wir den Ortskern von Ladbergen, einem Städtchen nördlich von Münster.
Dann setzte ich erst mal einen Kaffee auf und machte mir ein Frühstück. Die Infusion von Koffein bewirkte zweierlei: Meine Vorfreude auf die fünftausend Mark sank in demselben Maße, wie sich die Erkenntnis durchsetzte, dass ich den Tele Quick -Hansel nicht treffen würde. Er hatte mich praktisch im Halbschlaf erwischt, und mit einem funktionierenden Gehirn betrachtet, war ein solches Interview viel zu gefährlich. Hatte er nicht selbst behauptet, meine Nummer von der Polizei erhalten zu haben? Also konnte die Polizei unser Gespräch auch abhören, oder, schlimmer noch, das Ganze war von vornherein als Falle angelegt. Obwohl sich die Verhandlung über das Honorar sehr authentisch angehört hatte. Ein Polizist wäre sofort auf meine Forderung eingegangen.
Trotzdem, ich hatte mich wie ein Idiot benommen und viel zu lange mit diesem Wallmoden geredet. Ich warf den Kaffeebecher in die Spüle und setzte mich ans Steuer. Ich musste weg von hier, und zwar schleunigst.
Das Tecklenburger Land hat auch seine Reize. Ich war noch nie ein begeisterter Waldspaziergänger oder Hügelkletterer gewesen, aber vom erhöhten Sitz eines Hymercar magic aus betrachtet, schlängelte sich der sanft abfallende Hügelkamm, der den Ausläufer des Teutoburger Waldes bildete, durchaus elegant durch die Landschaft.
Ich hielt an einer Aussichtsstelle mit zwei blauen Punkten, anscheinend so etwas Ähnliches wie Michelinsterne für Wanderer, und setzte mein Frühstück fort, während ich in die Weite der nordwestfälischen Tiefebene schaute.
Um zehn nach acht klingelte erneut das Handy. Ich erwartete einen leicht frustrierten Sascha Wallmoden, doch diesmal war es Imke, die wissen wollte, wo ihre Tochter war.
Ich lachte laut auf. »Ist das ein Scherz, oder was?«
»Georg, ich mache keine Scherze mit Sarah. Ich habe dir das Kind anvertraut, und jetzt will ich es
Weitere Kostenlose Bücher