Das scharze Decameron
genügen.«
Am andern Morgen ging die Frau in aller Frühe hin. Sie traf die Räuber, die ihren Schech umgaben und immer wieder fragten: »Wie kann das nur immer wieder geschehen? Wer hat das nun wieder getan?« Der Räuberhauptmann sagte: »Es ist immer wieder derselbe Mann, dem ich den Ochsen abnahm.« Dann beschimpfte der Räuberhauptmann Said und sagte: »Er hat mich gestern als Hirt überfallen. Dieser Mensch verlangt nun von mir, ich solle einen ehrlichen Lebenswandel anfangen. Wenn er aber hört, daß ich das nicht vorhabe, wird er mich wieder zu schlagen wissen. Sagt also aller Welt, daß ich gestorben sei und bringt mich und meine Schätze in eine Höhle, die hier in der Nähe ist, die als Grabkammer dienen und die man verschließen kann. Stellt mir Essen und Wein herein, daß ich einige Tage darin leben kann, und dann wird alle Welt, also auch der Mann mit dem Ochsenschwanz, glauben, ich sei gestorben.« Die Freunde sagten: »Es ist recht. So wollen wir es tun.« Die Frau Saids hörte das, lief nach Hause und erzählte alles ihrem Mann. Said ging darauf schnell hin, kaufte sich das Kleid eines Priesters und ein heiliges Buch. In dem Kleid mit dem Ochsenschwanz darunter und dem heiligen Buch in der Hand ging er dann zu dem Hause des Räuberhauptmanns. Die Leute hatten den Räuberhauptmann auf sein Angareb gelegt. Sie hatten ihn mit wertvollen Kleidern bedeckt. Sie hoben ihn auf und trugen ihn hinaus. Einige Leute hatten die goldenen Leuchter und die goldenen Schalen genommen, die der Räuberhauptmann einst erobert hatte. Andere schleppten die Truhe, in der das Gold des Schechs war, und wieder andere brachten Körbe mit Speise und Krüge mit Wein. Die Leute schrien alle: »Unser Schech ist tot! Unser Schech ist tot!« Es waren auch Weiber dazu gekommen, die klagten und schrien nach der Sitte.
Als alle Leute aufbrachen und den Schech forttrugen, kam Said im Priesterkleid mit dem heiligen Buch. Er sagte: »Dies ist ein Toter. Ich will für ihn lesen!« Einige Männer sagten: »Er braucht wohl keinen Priester!« Die Frauen schrien aber: »Was? Keinen Priester? Gewiß muß er einen Priester haben!« Der Priester trat also an die Spitze des Zuges, und der wanderte nun den Bergen zu. Am Berge wurde der Fels vom Eingang einer Höhle zurückgeschoben und das Angareb mit dem Räuberhauptmann hineingetragen. Das Angareb wurde niedergesetzt und die goldenen Schalen und Leuchter wurden rund herum gestellt und die Truhe mit Gold zur Seite und die Körbe mit Speise und Trank in die Nähe. Die Leuchter wurden angezündet, der Priester setzte sich auf die Truhe und schlug eine Stelle seines Buches auf und las.
Die Männer sagten: »Nun wollen wir Abschied nehmen und hinausgehen.« Sie gingen alle an dem Angareb vorüber und schritten hinaus. Die Männer sagten: »Der Priester muß auch herauskommen.« Die Frauen sagten: »Nein, laßt den Priester beten!« Die Männer sagten: »Der Fels muß aber vorgeschoben werden, damit die wilden Tiere nicht hinein können.« Die Frauen sagten: »Die wilden Tiere kommen erst nachts. Laßt die Höhle tagsüber offen und den Priester bei dem Räuberhauptmann.« Es gingen alle nach Haus.
Nachdem alle gegangen waren, blieb der Priester noch einige Zeit auf der Truhe über das Buch gebeugt sitzen. Dann aber richtete er sich auf und sagte: »Ich habe nun nachgerade Hunger und Durst. Die guten Leute haben, wie mir schien, allerhand Speise und Trank mit hereingebracht. Der arme Tote kann das nun nicht mehr genießen. Deshalb will ich mich ein wenig stärken.«
Der Piiester schlug sein Buch zu und legte es auf die Truhe. Dann ging er zu den Körben und nahm von den besten Speisen und vom Wein heraus. Er ging zur Truhe zurück, setzte sich neben den zugedeckten Räuberhauptmann hin und begann zu speisen und zu trinken. Der Priester sagte: »Diese Hammelkeule, dies Kisra und dieser Wein sind ausgezeichnet. Wie traurig ist es, daß der arme Mann hier das nun nicht mehr genießen kann!« Dann aß er wieder und trank eine Weile und sagte: »Die armen Toten haben es doch zu schlecht, daß sie an solchen Dingen keinen Genuß mehr haben.« Dann aß er wieder und trank eine Weile und sagte: »Dafür haben sie aber auch bei Mangel keinen Hunger und Durst. Die Toten leiden nicht, wenn sie einen guten Lebenswandel führten. Ich will nachher wieder lesen! Wie schmeckt das aber gut!«
Dann nahm der Priester noch einen Bissen, den er schmatzend verzehrte, und trank von dem Wein, so daß man es hörte. Der
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