Das scharze Decameron
stand und ging dann hinaus.
Der Räuberhauptmann ging zu seiner Frau hinüber und sagte: »Meine Gattin, schlafe du nur heute allein; ich werde dich nachts nicht besuchen können, da ich noch auswärts eine Sache einzurichten habe.«
Dann ging der Räuberhauptmann wieder in seine Kammer zu der fremden Frau zurück. Said hatte sich inzwischen umgesehen. Er hatte die eiserne Truhe betrachtet und hatte einen starken Strick entdeckt, der von der Decke ziemlich weit herabreichte und in einer Schleife endigte, die man heraufziehen konnte. Said setzte sich dann auf das Bett. Der Räuberhauptmann kam herein und sagte: »So, nun wird uns niemand mehr stören. Nun können wir ein wenig miteinander spielen.« Die fremde Frau sagte: »Das ist gut.« Dann zog Said das Tuch vom Gesicht. Said hatte aber ein schönes Gesicht. Der Räuberhauptmann wollte sich zu der fremden Frau auf das Angareb setzen. Die fremde Frau aber sagte: »Ich denke in einem fort darüber nach, wozu dieser Strick ist, der dort von der Decke herabhängt und in einer Schleife endet.« Der Räuberhauptmann sagte: »Dieser Strick ist dazu da, meine Leute, wenn sie einen Fehler machen, an den Beinen aufzuziehen und dann zu züchtigen.« Die fremde Frau sagte: »Das ist merkwürdig. Ich verstehe das nicht. Ziehe mich doch einmal daran empor.« Der Räuberhauptmann sagte: »Nicht doch! Du bist eine Frau. Aber wenn du es einmal sehen willst, so ziehe doch mich hinauf.« Die fremde Frau sagte: »Strafen dich deine Leute denn nicht auch, wenn du einen Fehler machst?« Der Räuberhauptmann lachte und sagte: »Nein, das wagt kein Mensch, mich zu strafen. Ich mache auch keine Fehler.« Die fremde Frau sagte: »Ich kann mir das nicht vorstellen.« Der Räuberhauptmann sagte: »Zieh mich nur ruhig einmal hinauf, dann siehst du die Sache.«
Da stand die fremde Frau auf. Der Räuberhauptmann legte sich auf die Erde und steckte die Füße in die Schlinge. Der Räuberhauptmann sagte: »Nun braucht nur ein starker Mensch den Strick in die Höhe zu ziehen. Du bist aber als Frau nicht stark genug.« Die fremde Frau ergriff aber den Strick und zog den Räuberhauptmann mit einem Ruck in die Höhe, so daß er in der Luft hing. Der Räuberhauptmann erschrak und sagte: »Langsam, das schmerzt.« Die fremde Frau sagte: »Und dann bekommen die, die einen Fehler begangen haben, auch noch Streiche?« Der Räuberhauptmann sagte: »So ist es!« Said warf die Frauenkleidung weg und zog den Ochsenschwanz heraus. Der Räuberhauptmann erschrak. Said sagte: »Etwa hiermit? Etwa so?« Der Räuberhauptmann erkannte Said und schrie: »Laß doch! Ich bitte dich! Laß doch! Ich will dir den Ochsen ja voll bezahlen.« Said aber schlug mit dem Ochsenschwanz, daß dem Räuberhauptmann der Schweiß und das Blut herabliefen.
Als der Räuberhauptmann nun so baumelte und sich an dem Strick hin und her wand, fiel aus seiner Brusttasche der Schlüssel zu der eisernen Truhe. Said sah es. Said nahm den Schlüssel auf und sagte: »So so! Du willst mir also meinen Ochsen gut bezahlen.« Said ging zur eisernen Truhe und schloß sie auf. Der Räuberhauptmann sagte: »Es war ja nur ein Ochse, und vierzig Piaster habe ich dir schon gezahlt.« Said sagte: »Mein Freund, du hast keine klare Vorstellung:
Heute morgen sagtest du, es sei ein Schaf. Heute abend sagst du, es sei ein Ochse. Morgen wirst du sagen, es sei eine Ochsenherde, übermorgen, es seien zwei Ochsenherden gewesen. Du weißt also nicht so genau damit Bescheid, und es ist einfacher, ich greife deiner Meinung von morgen vor und nehme gleich das Geld für die ganze Ochsenherde!« Damit nahm Said einen ganzen Sack voll Gold und hob ihn auf die Schulter. Er trug ihn aus dem Hause. Als er aus der Türe war, rief der hängende Räuberhauptmann ihm Schimpfworte nach. Said aber sagte bei sich: »Diese letzten Worte bezahlt er mir morgen.«
Said trug den Goldsack und seine Kleider zur Seriba hinaus. Er traf seine Frau. Seine Frau sagte: »Ich hörte einen Mann schreien.« Said sagte: »Das war mein Freund, der mir den Ochsen abgekauft hat und nun bezahlte. Beim Zahlen segnete er aber seine Münze und ich dankte ihm. Das machte einiges Geräusch, wie es bei allen Geschäftsverhandlungen mit dieser Art Leuten üblich ist. – Merke dir übrigens den Weg. Du mußt morgen früh hierher zurückgehen und hören, was die Leute sprechen.« Dann gab Said seiner Frau die Kleider zu tragen, nahm selbst das Gold und den Ochsenschwanz über die Schulter und ging mit
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