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Das scharze Decameron

Das scharze Decameron

Titel: Das scharze Decameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Frobenius
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kennen zu lernen. Er legte den weiten Weg zurück, kam an, trat zu Gossi und sagte: »Ich suche das Schreckliche und Unerhörte.« Gossi sagte: »Da kann dir ja leicht geholfen werden. Warte nur einige Tage, dann will ich dir das Unerhörte so zeigen, daß du genug davon haben sollst.« Bulloballi sagte: »Ich werde warten.«
    An einem Montag saßen alle gemeinsam auf dem Marktplatz. Einige Dialli spielten Gitarre und sangen das Baudi (Heldenlied
    ). Gossi schnippste gegen die Gitarre und sagte: »Komm, Bulloballi, heute wollen wir auf den Sandbänken des Flusses das Paddi (ein Würfelspiel) spielen.« Gossi und Bulloballi gingen zum Fluß hinab und begannen zu spielen. Nach einiger Zeit sah Gossi, daß der Zug der königlichen Frauen, geführt und beschützt von den siebenhundert Soldaten, daherkam. Er ließ sich nicht stören. Bulloballi wandte sich um. Er sah auch den Frauenzug. Da schlüpfte er alsogleich in großer Furcht in eine Höhle, die im Ufersand war.
    Gossi stand auf. Er erwies den königlichen Frauen die Ehre und warf sich auf die Knie, das Antlitz gegen den Boden gewendet. Als der Zug aber just neben ihm war, richtete er sich unerschrocken auf, blickte mitten in den Zug und rief: »Njelle.« Njelle antwortete sogleich: »Hier bin ich!« Gossi sagte: »Njelle, ich habe Durst, bringe mir doch eine kleine Schale mit Wasser.« Njelle ging an den Fluß, sie ging bis an die Knie in das Wasser und schöpfte für Gossi Wasser. Sie kam mit der Schale zurück. Sie kniete vor Gossi nieder und reichte dem Helden den Trank. Gossi trank.
    Man hatte vordem schon für die Frauen Decken am Boden ausgebreitet. Gossi strich jetzt mit der flachen Hand von einer der Decken den daraufgewehten Sand fort und sagte: »Setze dich zu mir nieder, Njelle!« Alle siebenhundert Soldaten und Wächter, alle Frauen sahen starr und entsetzt auf dieses Unerhörte. Niemand wagte sich zu bewegen oder etwas zu sagen. Njelle aber ließ sich neben Gossi nieder, und so plauderten sie miteinander. Njelle sagte dann zu Gossi: »Es gibt keine rechten Männer mehr unter den Fulbe in Bakunu.« Gossi sagte: »Ei, es gibt schon noch echte Männer in Bakunu. Du kennst sie nur nicht. Wenn du einen echten Fulbehelden kennenlernen willst, so erwarte mich heute abend in deinem Hause; denn dann will ich trotz der siebenhundert Wachen und des heiligen Stieres bei dir schlafen.« Njelle sagte: »Ach, ich kann es gar nicht erwarten, daß es Abend wird. Ich möchte, es wäre Nacht!«
    Dann nahmen Njelle und Gossi voneinander Abschied, und die Frauen kehrten mit ihren Wächtern zur Stadt in die Gehöfte des Königs zurück. Bulloballi kam auch aus seinem Versteck hervor. Er sagte: »Komm schnell heim. Ich habe genug des Unerhörten erlebt.« Gossi sagte: »Nein, wir gehen nicht, wir wollen erst noch spielen.« Bulloballi sagte: »Wir wollen gehen!« Gossi sagte: »Dann geh allein.« Bulloballi blieb. Sie spielten Paddi.
    Gossi sagte (spielgemäß): »Eine Frau hat gesagt, es gibt keine echten Männer mehr unter den Fulbe von Bakunu. – Das gibt eine neue Sache. Wir wollen es zeigen.« Im Hintergrund kam eine Löwin herbei. Gossi sah nie hinter sich. Er hörte nun wohl die Schritte und das Knurren des Tieres; aber da es hinter ihm herankam, achtete er nicht darauf. Bulloballi sagte erschrocken: »Eine Löwin!« Gossi sagte: »Da, spiele!« Bulloballi sprang auf und schlüpfte wieder in seine Höhle. Gossi blieb, wie und wo er war.
    Dann kamen zwei Jäger des Weges, und hierdurch ward die Löwin vergrämt und sprang schnell in den Busch. Bulloballi sagte: »Ich gehe nach Hause!« Er kroch aus seiner Höhle. Als er an Gossi vorbeikam, sagte er: »Ich habe heute genug Unerhörtes gesehen.« Er lief fort.
    Gossi sagte: »Es gibt wirklich wenig wahre Männer unter den Fulbe. Ich werde es aber zeigen, daß es doch etliche gibt.« Er stand auf und ging auch in die Stadt.
     
    Als es Abend war, nahm Gossi zwei Lanzen und ging damit in das Königsviertel. An dem einen Tor war Ngare togo scholi angebunden, der heilige Stier, den niemand bei Todesstrafe schlagen oder stoßen durfte. Er nahm die erste Lanze und stieß sie dem Tier in die Seite. Er nahm die zweite Lanze und stieß sie dem Stier in die Seite. Der heilige Stier brach tot zusammen. Dann ging Gossi durch das Torhaus und in das Königsviertel. Er fragte eine Frau nach der Wohnung Njelles. Die Frau zeigte ihm die Richtung. Er fragte nochmals eine Frau nach dem Hause Njelles. Sie zeigte Gossi das Haus Njelles.

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