Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)
Bett. Auch wenn ich immer noch nicht verstehe, warum wir ihm ein Obdach geben sollen», sagte er, des Kämpfens müde.
«Weil er Evelinas Onkel ist», sagte ich. Renzo seufzte, und ich kam zu ihm ins Bett.
Niemand sollte glauben, ich würde weniger für meinen Mann empfinden, nur weil ich Kitt zu uns nahm. Renzo ist meine große Liebe, der Vater meiner geliebten Kinder. Und ihm habe ich das große Geschäft zu verdanken, das ich führe. Ich arbeite als Köchin, wie es mir daheim in England nie möglich gewesen wäre. Das mit Kitt war eine ganz andere Angelegenheit. Ich wusste inzwischen nur allzu gut, wie hoffnungslos mein Leben an Kitts Seite verlaufen wäre. Doch die gemeinsamen Stunden in Paris brannten wie ein geheimes Funkeln in der Reihe meiner Tage auf dieser Welt.
Am nächsten Tag bezog Kitt eines der Hotelzimmer, und zur Abendessenszeit schlief er in einem Bett mit frischen Laken und Gazevorhängen, die seine zerstörten Augen vor der Wintersonne schützten. Ich stellte eine sanftmütige Krankenpflegerin ein. Francesca saß den ganzen Tag an seine Stätte und nähte. An jenem Abend fütterte ich ihn selbst, schüttelte die Kissen hinter seinem Rücken auf und betupfte seine Lippen mit einem schneeweißen Tuch. Als wir so allein waren, betrachtete ich eingehend sein gezeichnetes Gesicht.
«Du brauchst einen Barbier», sagte ich. Meine Finger verharrten über dem dunklen Bartschatten auf seiner Wange, ich traute mich jedoch nicht, ihn zu berühren.
«Herrin», sagte er ruhig. Seine Augen schienen nach mir zu suchen, doch gab es da für ihn nichts als Schwärze. «Ich brauche nichts. Danke.» Seine Finger krallten sich plötzlich in die Seide meines Kleides. «Bin ich im Himmel?»
«Nein», lachte ich. «Du bist im Hotel Königin von England in Florenz. Bei Freunden.» Ich tätschelte seine Hand und löste seinen Klammergriff. «Und nun schlaf», murmelte ich und stand auf, um zu gehen.
Erneut griff er nach meinen Röcken, doch ich musste mich ihm entziehen. «Ich habe Angst zu schlafen», stöhnte er und schaute sich um, ohne etwas zu sehen. «Denn wo werde ich aufwachen?»
«Du wirst hier aufwachen. Die Pflegerin wird neben dir auf dem Sofa schlafen. Du bist hier in Sicherheit.»
Als ich das Zimmer verließ, schrie er auf, weil Renzos Hund mir an der Tür entgegengelaufen kam und mich laut begrüßte.
«Herrin! Ich flehe Euch an, schließt die Tür! Hört Ihr das nicht? Lasst es nicht herein!»
«Das ist doch nur der Hund meines Mannes.»
Ugo kratzte und winselte vor der Tür. Der arme Kitt krümmte sich auf dem Bett.
«Du lieber Gott, ist mir das Untier bis hierher gefolgt?», jammerte er.
Ich sprach mit der Pflegerin über seine Angst vor dem Hund. Wir kamen überein, es müsse sich um eine merkwürdige Art von Angst handeln. Vielleicht hatte ihn mal ein wilder Hund angegriffen, während er allein gewesen war. Es dauerte eine Weile, bis ich mich an Bengo erinnerte. Ich fragte mich, was Kitt wohl damals in der Villa vorgefunden hatte.
Er war eine Woche bei uns, bis es ihm gelang, mich zu demaskieren. Es war kurz vor Weihnachten, und Renzo bereitete all die Delikatessen zu, die die Florentiner zur Weihnachtszeit verlangten: gebratene Aale, Gänse, Kuchen mit Marzipanfüllung und eine Art Mince Pie, den sie hier
torta di lasagna
nannten, und der mit Rosinen, Nüssen und Fleischspezialitäten gefüllt war. Während seine Pflegerin Francesca zur Messe ging, war es meine Aufgabe, Kitts Gesicht an jenem Tag mit einem in Rosenwasser getauchten Tuch zu reinigen. Inzwischen konnte ich sein Gesicht ansehen, ohne jedes Mal von mitleidvoller Zärtlichkeit übermannt zu werden. Seine Augen waren geschlossen, und er sah so bleich aus wie Pergament.
Ich seufzte lauter, als ich durfte, und strich ihm eine Locke seiner langen, schwarzen Haare aus der Stirn.
«Dieses Parfüm. Seid Ihr das?», fragte er. «Nicht die Pflegerin?»
Argwöhnisch antwortete ich: «Ich bin’s, Signora Cellini. Die Frau, die dich gefunden hat.»
Ein ironisches Lächeln umspielte seine Lippen. «Ist das dieselbe Frau, die gestern Abend geschrien hat, weil die Brotlaibe verbrannt waren, es sei jetzt ‹nix mehr für die Gäste da›?»
Mein Herz hämmerte, und ich hörte die Geräusche im Haus lauter als sonst: das Lärmen aus der Küche und die Kinder, die im Schulzimmer sangen.
«Du bist’s. Nicht wahr, Biddy?»
Seine magere Hand griff nach meiner. Wie knotige blaue Fäden auf einem gespannten Fächer traten die Venen
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