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Das Schicksal der Zwerge

Das Schicksal der Zwerge

Titel: Das Schicksal der Zwerge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Sonnenuntergang empfängt er gewöhnlich niemanden mehr.« Sie ritten bis zum Fuße des Berges. Eine gewaltige Treppe führte nach oben, die ebenfalls in grauem Marmor gehalten war; rechts und links von ihr flössen rote Bäche, alle dreißig Schritt gab es einen kleinen Absatz, auf dem sich jeweils ein Springbrunnen befand. Auch sie waren aus grauem Marmor, und auch in ihnen sprudelte rotes Wasser. Die Feuerstiere und Ponys nahmen eine Stiege nach der anderen, bis sie zwei Drittel des Weges hinter sich gebracht hatten, danach mussten sie absteigen und zu Fuß weitergehen.
Ingrimmsch fand das Treppenlaufen sehr anstrengend, da der Abstand zwischen den Stufen für Albae und nicht für kurzbeinige Zwerge gedacht war. Er konnte nicht umhin zuzugeben, dass die Steinmetzarbeiten, soweit er es beurteilen konnte, exzellent ausgeführt worden waren. Vollkommen, wie man es von Albae erwarten durfte.
Um der Treppe noch mehr Glanz zu verleihen, war jeder zweite Tritt poliert und mit Edelsteinen eingefasst. Hier bestanden die Stufen gänzlich aus durchsichtigem Kristall, sodass sie das rote Wasser darunter sahen.
»Man hat sich Mühe gegeben«, sagte Tungdil. »Auch wenn ich den Turm aus Elbenbein vermisse.«
»Die Dsön Aklän wollten nicht so vermessen sein und sich mit den Unauslöschlichen vergleichen. Das gebührt einzig Kaiser Aiphatön, der sich an einem anderen Ort aufhält.« Ütsintas nahm die letzte Stiege und erreichte das Plateau vor dem Palast. Tungdil folgte ihm, danach kamen Ingrimmsch und der Rest. Sie standen vierzig Schritt vor der riesigen marmornen Fassade des Palastes. Boindil bezweifelte, dass man mit einer Armbrust hoch genug schießen konnte, um das Dach zu erreichen; die dunkle Kuppel flirrte und glitzerte.
»Und welche Art Palast hat der Kaiser sich bauen lassen?«, wollte Tungdil wissen. »Soweit ich weiß, keinen. Mir war es nicht vergönnt, den Kaiser zu besuchen.« Ütsintas führte sie auf das Portal zu, das hinter einer Reihe aus titanischen Säulen lag, die das Vordach stützten.
Ingrimmsch grinste wieder. Du wirst nicht hindürfen, weil es die Schwarzaugen aus dem Süden nicht zulassen, dachte er. Schlagartig erwuchs in ihm die Einsicht, dass die Patrouillen nicht wegen des gauragarischen Widerstandes durch Dsön Bharä ritten, sondern um die ungeliebte Verwandtschaft auf Abstand zu halten. Ich gehe jede Wette ein, dass noch kein einziger der SüdAlbae in dem Krater gewesen ist.
    Die Albae hatten die Vorliebe für den Einsatz von Knochen jeglicher Art doch nicht ganz verloren. Die Zwerge sahen, dass die unterschiedlichsten Gebeine an den Wänden angebracht waren und ein faszinierendes Muster schufen, das die Augen des Betrachters unweigerlich zum Portal zwang. Der Beschlag dieses Portals, welches sieben Schritt hoch und vier breit war, bestand aus zerschnittenen Beinscheiben, die akribisch genau angeordnet worden waren; aus den Lücken ragten knöcherne Gesichter hervor. Sämtliche Rassen des Geborgenen Landes waren unter den Schädeln vertreten, außer den Albae.
Vier Wächter standen vor dem Eingang und öffneten ihn für die Besucher. Dahinter erstreckte sich ein hoher, dunkler Gang, dessen Wände mit karmesinroten Stoffbahnen verkleidet waren. Keine grausigen Bilder, keine Gebeine, nichts, was einem Schauder über den Rücken sandte.
Hm, anders als erwartet. Leidlich verwundert marschierte Ingrimmsch hinter Tungdil und Ütsintas her, der ihnen nach mehreren Gangbiegungen vor einer schwarzen Tür das Anhalten befahl.
»Ich lasse den Dsön Aklän wissen, wer hier ist und was er möchte.« Ihr Führer pochte gegen das Holz, gleich darauf wurde ihm von einem Alb in einer Robe geöffnet, und er verschwand im Raum hinter der Tür.
Ingrimmsch hielt es nicht länger aus. Er schob sein Visier nach oben. »Ich fasse es nicht!«, sagte er gedämpft und wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht. Der Aufstieg hatte ihm warm werden lassen. »Ich stehe mitten im Reich der Schwarzaugen!« Tungdil ließ sein Visier mit einer raschen Bewegung nach unten schnappen. »Kein Wort. Sie könnten uns beobachten.«
Ingrimmsch schob es wieder nach oben. »Aber mir steht die Zunge in Flammen, wenn ich nicht gleich ...«
»Wirst du wohl endlich schweigen!«, schnaubte Balyndar und versetzte ihm einen Stoß; das Visier schloss sich klackend. »Er wird uns ins Verderben stürzen, weil er schwatzen muss!«
»Schubs mich noch einmal, Fünfter, und ...«
Ütsintas erschien und führte sie durch eine zweite, dunkelrote Tür.

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