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Das Schicksal der Zwerge

Das Schicksal der Zwerge

Titel: Das Schicksal der Zwerge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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den Leib gepresst.
    Hindrek zögerte nicht, dem störenden Ton ein Ende zu setzen, der den wunderschönen Gesang der Unbekannten durchschnitt. Vier rasche Schritte, und er befand sich vor seinem Sohn, die Axt hielt er schräg und zum Schlag ausholend. Gleich, gleich würde er seine Belohnung erhalten!
    Ein harter Schlag traf sein rechtes Bein, und es knickte ein. Die Schneide der Axt surrte über den Kopf seines Sohnes hinweg, und durch den Schwung wurde Hindrek umgerissen. In seinem Knie steckte ein Armbrustbolzen, dann hörte er Huftrappeln. Auf dem Pfad, der zum Dorf führte, kamen vier Reiter in braunen Lederrüstungen und hellen langen Mänteln entlang. Einer von ihnen hielt eine abgefeuerte Armbrust in den Händen.
    »Weg von dem Kind!«, schrie der Schütze und lud nach.
    »Die Weise der Lust«, ächzte Hindrek und nahm die Axt als Krücke. Er kannte die Männer, Wislaf, Gerobert, Viatin und Diederich, die Vertrauten von Graf Pawald. Sie mussten den göttlichen Gesang auch vernommen haben und kamen, um ihn ihm streitig zu machen!
    Kaum stand er, humpelte er die Stufen zum Haus hinauf, in das sich Ortram geflüchtet hatte. »Ich will die Weise von der Lust hören!«, tobte er und stützte sich mit einer Hand an der Wand ab, dann drosch er mit der Schneide auf die geschlossene Tür ein. Von drinnen erklangen die verängstigten Schreie seines Sohnes.
    Die Reiter donnerten heran und riefen mehrmals nach dem Wildhüter, der wie von Sinnen auf das Holz einschlug.
    Unvermittelt hielt er inne und drehte sich zu ihnen um. »Ihr wollt sie auch für euch!«, rief er mit überschnappender Stimme und schleuderte die Axt nach ihnen. »Ihr werdet sterben!«
    Die Axt prallte gegen die Brust von Diederichs Pferd, das daraufhin scheute und auf die Hinterläufe stieg; der Mann fiel in den Schnee.
    »Mit dir fange ich an!« Hindrek zückte den langen Dolch und hopste auf den Liegenden zu und bekam einen Bolzen in die Brust. Stöhnend fasste er nach dem Schaft, der nur noch zu einem Drittel herausragte, um nach vorn zu kippen und liegen zu bleiben. Diederich, ein Mann um die vierzig Zyklen, erhob sich fluchend und wischte den Schnee von sich ab. »Was, bei den abscheulichen Mächten Tions, ist hier vorgefallen?« Viatin, der Schütze und etwas jünger als Diederich, hing die Armbrust an die Sattelhalterung und rutschte auf den Boden. Er trug wie seine Begleiter einen kurzen Vollbart; eine Kappe ausZobel schützte ihn vor dem Winter. »Die Einsamkeit hat schon ganz andere Kerle wie Hindrek bezwungen. Es kann einen verrückt machen.« Er sah zur Frauenleiche. »Anders wird seine Tat nicht zu erklären sein.«
    Gerobert lenkte sein Pferd um die Hütte. »Ich schaue mich lieber um. Wer weiß, was wir noch entdecken müssen.«
    Diederich, Viatin und Wislaf, mit zwanzig Zyklen der Jüngste von ihnen, gingen gemeinsam zum Eingang und traten die versperrte Tür ein.
    Der große Innenraum war sauber und aufgeräumt. Auf dem Herd brodelte ein Kessel, es roch nach Kanincheneintopf, und der Tisch war gedeckt. Ohne die Leichen vor dem Haus sah es nach einem friedlichen Leben aus.
    Ortram hatte sich neben dem Ofen zusammengekauert und hielt einen glühenden Schürhaken als Schutz vor sich. Tränen liefen seine Wangen hinab, und er zitterte am ganzen Leib.
    »Wir tun dir nichts«, sagte Diederich bedächtig und wies dem Jungen seine leeren Hände. »Dein Vater kann dir nichts mehr anhaben.«
    Doch Ortram rührte sich nicht, sondern hielt sie weiter auf Abstand.
    »Da möchte man Felle kaufen, und dann stößt man auf so eine furchtbare Tragödie«, meinte Wislaf leise. »Was sich Menschen nur antun.«
    »Heuchelei, wenn auch glaubhaft vorgetragen«, sagte eine feine, wohlklingende Stimme vom Eingang voller Spott. Die Männer wirbelten herum, Viatin und Diederich zogen ihre Schwerter mehr aus Überraschung denn aus Furcht.
    Über die Schwelle trat ein Alb in einem schwarzen Umhang; er musste sich ducken, um wegen seiner Größe und der Waffe auf dem Rücken durch die Tür zu passen. »Wo wir doch alle wissen, was du den Menschen antust, wenn und wann es dir beliebt.« Die zweite Stimme kam aus dem großen Kamin in ihrem Rücken, und Wislaf wandte sich um. Ein zweiter Alb, dem Gesicht nach der Zwilling des anderen, hob sich vor dem Feuerschein ab. Es war dem Mann ein Rätsel, wie die Kreatur durch die Flammen gelangt war, ohne zu vergehen.
    Diederich und Viatin behielten die Schwerter in den Fäusten. Auf sie machte es den Eindruck, als

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