Das Schicksal des Highlanders
der Knabe recht jähzornig«, meinte Maldie.
»Nein, das nicht. Allerdings wird er mit Narren wahrscheinlich nie viel Geduld haben.«
»Das kann ich gut verstehen.«
»Eric ist ein schlauer Bursche, manchmal sogar beängstigend schlau, aber er weiß auch, dass sein Scharfsinn eine Gabe Gottes ist. Er nützt ihn nie, um Menschen zu schaden, die nicht in gleicher Weise gesegnet sind. Wenn er aber glaubt, dass jemand sich absichtlich dumm stellt oder etwas Törichtes tut, obwohl er eigentlich klug genug wäre, die Gefahr zu kennen, dann hat er dafür kein Verständnis. Vielleicht muss er das noch lernen. Aber das ist sein einziger Fehler, glaube ich.« Balfour musste lächeln. »Ich finde, Eric sieht sogar noch besser aus als Nigel und hat ein noch gewinnenderes Wesen.«
»Und damit ist er eine große Gefahr für alle Mädchen in Schottland.«
Sie lächelte, als er laut auflachte und zustimmend nickte. Es war klar, dass Balfour seinen Halbbruder liebte und sehr stolz auf ihn war. Das rührte sie und sagte viel über diesen Mann; dennoch musste sie zu ihrer Schande gestehen, dass sie auch etwas eifersüchtig wurde. Eric war wie sie ein uneheliches Kind, und trotzdem wurde er von der Familie seines Vaters geliebt. Das war etwas, was sie nie gekannt hatte. Sie hatte nie einen Vater gehabt und außer ihrer Mutter auch keine Familie. Und manchmal hatte Maldie sogar das Gefühl gehabt, dass ihrer Mutter nicht sehr viel an ihr lag und sie sich sogar ärgerte, dass es ihre Tochter überhaupt gab.
Hastig verscheuchte Maldie diesen Gedanken wieder, er tat zu weh. Aber ihr war klar, warum er so schmerzte: Tief in ihrem Herzen wusste sie, dass er einen wahren Kern hatte. Es war besser, sich dieser Wahrheit zu verschließen, als sich von ihr vergiften zu lassen.
»Du siehst traurig aus, kleine Maldie«, meinte Balfour sanft und legte wieder die Hand auf ihre Faust. »Mach dir keine Sorgen, wir werden diese Schlacht gewinnen und den jungen Eric heim nach Donncoill bringen!«
»Ja, ich weiß.«
Sie wandte sich wieder dem Essen zu, und er redete über die bevorstehende Schlacht und entlockte ihr vorsichtig noch ein paar Informationen. Maldie berichtete ihm alles, was sie wusste, überlegte sich die Antworten aber sehr genau; denn sie wollte ihn dazu bringen zu glauben, dass ihr die Bedeutung ihres Wissens gar nicht klar wäre und dass es nur seine geschickten Fragen waren, die dieses nützliche Wissen zutage förderten. Es stimmte sie zwar froh, dass sie ihm half, Beaton in die Knie zu zwingen, doch es trübte ihre Freude, dass sie dafür zu einer List greifen musste.
Als Balfour James herbeiwinkte, war es vorbei mit ihrer Freude. Maldie wusste, dass sie der Mann beobachtete, und zwar ständig und sehr gründlich. Ihr wurde unbehaglich zumute, als sie seine dunklen Augen auf sich ruhen spürte, während sie Balfours Fragen beantwortete. James war nicht so vertrauensselig wie sein Laird. Je mehr der Mann sie beobachtete, desto verschlossener wurde sein Gesichtsausdruck und desto nervöser wurde Maldie. Wenn er ihr misstraute, würde es ihm nicht schwerfallen, auch Balfour argwöhnisch zu machen. Solange sie nicht die ganze Wahrheit erzählte, konnte es leicht aussehen, als ob sie eine Spionin wäre, die für Beaton und nicht gegen ihn arbeitete. Schon der Gedanke daran ließ sie erschauern, er erfüllte sie mit Abscheu wie auch mit Furcht.
»Du wirkst erschöpft, Maldie«, meinte Balfour. Er stand auf und hielt ihr die Hand hin. »Komm, ich bringe dich in deine Schlafkammer.«
Sie wollte schon sagen, dass sie den Weg auch alleine fände, doch sie verkniff sich diese Bemerkung. Daraus konnte eine längere Diskussion entstehen, und außerdem wurde ihr unter James’ beharrlich prüfendem Blick immer unbehaglicher. Vielleicht war es besser, Balfour und James zu trennen, solange der Mann von Argwohn zerfressen war. Wenn er die Gelegenheit hatte, ein wenig nachzudenken, würde er bestimmt gelassener werden. Zumindest hoffte Maldie dies, als sie sich von Balfour aus dem großen Saal geleiten ließ.
Im Moment fühlte sie sich von allen Seiten bedrängt. In ganz Donncoill gab es kaum ein ruhiges Plätzchen, das sie vor James’ wachsamem Auge schützte. Und auch Balfour ließ nicht locker, er vernebelte ihr den Verstand und verwirrte ihr Herz mit Leidenschaften, die sie offenbar beide nicht mehr zügeln konnten. Nur das winzige Bett, das in einer Ecke von Nigels Kammer aufgestellt worden war und in dem sie seit ihrer Ankunft in
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