Das Schicksal des Highlanders
das Stück Brot zu konzentrieren, mit dem er unablässig über den ohnehin schon sauberen Teller fuhr. Maldie fragte sich, welch sonderbare Stimmung ihn plötzlich befallen hatte. Dann merkte sie, dass er verstohlen etwas auf der gegenüberliegenden Seite des großen Saals beobachtete. Unauffällig folgte sie seinem Blick und wunderte sich nicht weiter, als sie Grizel entdeckte. Die Frau schlich im Schatten der Wand an die Bewaffneten heran und setzte sich schließlich auf eine Truhe in ihrer Nähe. Dort gab sie vor, sich mit einer Näharbeit zu beschäftigen, doch man sah rasch, dass sie eifrig aufschnappte, was Balfours Männer sagten. Die Art, wie sie sich vorbeugte, den Hals reckte und den Männern immer wieder einen Blick zuwarf, verriet sie. Ab und zu schweifte ihr Blick zwar auch zu Balfour, doch sie schien nicht zu bemerken, wie intensiv er sie beobachtete. Maldie fand, dass Grizel keine besonders gute Spionin war. Bislang hatte sie es wohl nur deshalb geschafft, weil niemand weiter auf sie achtete. Aber vielleicht war sie ja auch nur sorglos geworden, weil ihr der Verrat bisher so leichtgefallen war.
»Ich kann es kaum glauben, dass mir das noch nie aufgefallen ist!«, murrte Balfour, der offenbar gerade dasselbe dachte wie Maldie.
»Du hast ja bisher kaum auf sie geachtet«, meinte Maldie. Seiner finsteren Miene entnahm sie, dass ihre Worte ihn nicht trösteten. »Schließlich haben sie und ihre Familie von Anfang an zu den Murrays gehört«, fuhr sie fort. »Sie wäre bestimmt die Letzte gewesen, die du verdächtigt hättest.«
»Deshalb bot sie sich ja an. Aber ich hätte mir trotzdem Gedanken machen müssen. Du hast recht: Sie hasst uns. Ich sehe es jetzt ganz deutlich. Und sie hat auch einen Grund. Mein Vater hat sie wirklich schlecht behandelt; sie und viele andere Frauen auch, fürchte ich.«
»Das ist aber noch lange keine Rechtfertigung dafür, seinen ganzen Clan zu verraten, seine Familie und seine Vorfahren. Es ist recht und billig, den zu verletzen, der einem wehgetan und erniedrigt hat, aber nicht dessen Nachfahren und den ganzen Clan. Doch genau das macht sie, wenn sie Beaton hilft. Allmählich tut mir der arme Eric wirklich leid.«
»Ja, er hat es sicher nicht leicht in Beatons Gefangenschaft.«
»Ich dachte eher daran, dass Beaton ihn gehasst hat, als er zur Welt kam, und versucht hat, ihn zu töten. Und jetzt ist Grizel da, die ihn ebenfalls hasst und der es egal ist, ob er lebt oder stirbt. Beide haben aus Zorn über Untaten gehandelt, für die der arme Bursche überhaupt nichts kann. Es muss sehr schwer für ihn sein zu wissen, dass er sich allein durch seine Geburt zwei sehr starke Feinde gemacht hat. Und jetzt fordert ihn der Mann, der versucht hat, ihn zu töten, als Sohn ein. Dein kleiner Bruder muss denken, dass die ganze Welt oder, schlimmer noch, er selbst verrückt geworden ist.«
Balfour runzelte die Stirn und nickte bedächtig. Er gab es nur sehr ungern zu, aber er hatte tatsächlich bislang kaum einen Gedanken daran verschwendet, wie es Eric gehen mochte. Ihm war es vor allem darum gegangen, seinen Bruder zu befreien und ihn aus dem gefährlichen Umfeld herauszuholen, in das Beaton ihn stoßen wollte. Er wollte ihn vor dem Gift bewahren, das dieser Mann ihm ins Ohr flüstern konnte. Doch Maldie hatte natürlich recht. Der Junge begriff bestimmt nichts von dem, was um ihn vorging, und er fragte sich womöglich, was er nur an sich habe, dass er so viel Hass und Probleme auf sich zog. Auch wenn Beaton jetzt versuchte, Eric als Sohn einzufordern, würde er ihn kaum weniger hassen. Der Junge war ziemlich schlau, vielleicht sogar der schlaueste von ihnen, doch trotzdem war er jetzt sicher völlig verwirrt. Und eine solche Verwirrung, das Unvermögen, etwas zu verstehen, gehörte zu dem wenigen, was den normalerweise ruhigen, sanftmütigen Knaben völlig aus der Fassung brachte.
»Ja, der arme Eric ist bestimmt ziemlich durcheinander«, meinte Balfour. »Der Junge hasst es, wenn er etwas nicht verstehen kann. Wenn Beaton ihm nicht alles erzählt hat oder zumindest so viel, dass er dieses Durcheinander entwirren kann, dann will er Beaton wahrscheinlich eigenhändig an den Kragen gehen. Das, was der Mann getan hat, ist Eric sicher völlig unverständlich, und selbst wenn er eine Erklärung dafür bekommen hat, die sich mit unseren Annahmen deckt, wird Eric es für ein ziemlich idiotisches Unterfangen halten; und auch darüber wird er sich ärgern.«
»Das klingt ja fast, als sei
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