Das Schicksal in Person
Er war ein boshafter alter Knabe. Er wollte nicht, dass wir etwas erfahren.«
»Ja, schwierig war er«, gab Mr Broadribb zu. »Aber in diesem Fall steckt mehr dahinter als ein böser Spaß. Diesmal war es ihm ernst. Irgendetwas hat ihn sehr beunruhigt. Und er war der Ansicht, dass Miss Marple ihm helfen könne.«
»Was sollen wir nun tun?«
»Warten«, sagte Mr Broadribb. »Irgendetwas wird geschehen, davon bin ich überzeugt.«
»Sie haben also doch noch irgendwo einen versiegelten Brief versteckt, was?«
»Mein lieber Schuster«, sagte Mr Broadribb, »Mr Rafiel hatte unbedingtes Vertrauen in meine Diskretion und mein Berufsethos. Dieser versiegelte Brief ist nur unter ganz bestimmten Umständen zu öffnen, von denen kein einziger bisher eingetreten ist.«
»Und wohl auch nie eintreten wird«, sagte Mr Schuster. Damit war das Thema beendet.
4
E inige Tage waren vergangen, seit Miss Marple an Mr Broadribb geschrieben hatte, als sie mit der zweiten Post eine Nachricht bekam. Sie nahm den Brief in die Hand, besah ihn wie gewöhnlich von allen Seiten, schaute den Poststempel und die Handschrift an, stellte fest, dass es sich nicht um eine Rechnung handelte, und öffnete ihn. Er war mit der Maschine geschrieben.
Liebe Miss Marple,
wenn Sie diese Zeilen lesen, werde ich tot sein und auch bereits b e graben. Nicht eingeäschert, beruhigenderweise. Es erschien mir immer schon unwahrscheinlich, dass es einem gelingen würde, sich aus seiner mit Asche gefüllten Bronzeurne zu erheben und als Geist herumzuspuken, wenn man danach die Lust verspürte. Wogegen die Vorstellung aus dem Grab aufzustehen und irgen d jemand zu verfolgen, durchaus denkbar ist. Ob mir danach z u mute sein wird? Wer weiß. Vielleicht könnte ich sogar den Wunsch haben, mich mit Ihnen in Verbindung zu setzen.
Inzwischen werden meine Anwälte mit Ihnen Verbindung auf genommen und Ihnen ein gewisses Angebot gemacht haben. Ich hoffe, dass Sie es angenommen haben. Wenn nicht, dann bra u chen Sie sich deswegen keine Gedanken zu machen. Die En t scheidung liegt ganz bei Ihnen.
Dieser Brief sollte Sie am 11. d. M. erreichen, vorausgesetzt, meine Anwälte haben meine Anweisungen befolgt und die Post hat ihre Pflicht getan. In zwei Tagen werden Sie eine Mitteilung von einem Londoner Reisebüro bekommen. Ich hoffe, dass Ihnen die Vorschläge, die man Ihnen machen wird, zusagen werden. Ich brauche dazu nichts weiter zu sagen. Ich möchte, dass Sie unvo r eingenommen an die Sache herangehen. Passen Sie gut auf sich auf. Doch ich denke, das wird Ihnen gelingen. Sie sind eine sehr schlaue Person. Alles Gute, und möge Ihr Schutzengel Sie begle i ten und auf Sie Acht geben. Es könnte sein, dass Sie ihn bra u chen.
Ihr Freund
J. B. Rafiel
»Zwei Tage!«, sagte Miss Marple.
Sie hatte Mühe, die Zeit bis dahin auszufüllen. Das Postamt tat seine Pflicht und ebenso Famous Houses and Gardens of Great Britain, das berühmte Londoner Unternehmen, das die Besichtigung bekannter englischer Schlösser und Gärten organisierte.
Sehr geehrte Miss Marple,
dem Wunsch des verstorbenen Mr Rafiel folgend, geben wir Ihnen die Einzelheiten unserer Tour Nr. 37 der Famous Houses and Gardens of Great Britain bekannt, die am nächsten Donnerstag dem 17. in London beginnen wird.
Wenn es Ihnen möglich ist, nach London zu kommen, wird I h nen unsere Reiseleiterin, Mrs Sandbourne, zur Verfügung stehen, um alle nötigen Fragen zu klären.
Unsere Reisen dauern im Allgemeinen zwei bis drei Wochen. Die Tour Nr. 37 wird für Sie besonders interessant sein, weil sie in eine Gegend Englands führt, die Sie, soviel Mr Rafiel wusste, noch nicht kennen. Mr Rafiel hat dafür gesorgt, dass Ihnen alle nur möglichen Bequemlichkeiten zur Verfügung stehen werden.
Es wäre nett, wenn Sie uns mitteilten, an welchem Tag Sie unser Büro in der Berkeley Street aufsuchen könnten.
Miss Marple faltete den Brief zusammen und steckte ihn in ihre Handtasche. Dann rief sie zwei Freundinnen an, von denen sie wusste, dass sie an einer Reise der Famous Houses and Gardens teilgenommen hatten. Sie bestätigten, was Miss Marple bereits gehört hatte: Die Reisen seien hervorragend geführt, keineswegs zu anstrengend für ältere Leute, dafür allerdings entsprechend teuer. Dann rief Miss Marple im Büro in der Berkeley Street an und sagte, dass sie am Dienstag vorbeikommen werde.
Im Büro des Famous Houses and Gardens wurde Miss Marple von Mrs Sandbourne empfangen, einer
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