Das Schiff aus Stein
ging murrend zur nächsten Holzleiter an einer Hausmauer und begann sie hinaufzusteigen. Dann legte er sein Schwert in das erste Regal, das er erreichte. Die Fragmente, die darin lagen, waren alle rund und glatt geschliffen, als hätten sie lange Zeit im Wasser gelegen.
Der Direktor musterte die anderen Lehrlinge noch einmal genau.
»Gut, ansonsten sehe ich nichts Hinderliches.«
»Na, hoffentlich macht dir dein Hufeisen oder was du da im Beutel hast, keinen Ärger!«, rief Anselm Rufus zu.
Rufus zuckte zusammen.
Anselm hatte seine Frage also nicht vergessen. Er war wirklich schrecklich neugierig. Doch noch ehe Rufus etwas sagen konnte, kam ihm Filine zuvor.
»Rufus!«, rief sie. »Ich kann es nicht glauben! Hast du Anselm etwa von dem Glücksbringer erzählt, den ich dir auf dem Flutmarkt gekauft habe? Ich dachte, das wäre unser Geheimnis.«
Rufus wurde rot. Was Filine da sagte, war nicht wahr. Sie hatte ihm nie einen Glücksbringer geschenkt. Und schon gar nicht auf dem letzten Flutmarkt. Natürlich sagte sie das nur, um Anselm abzulenken. Sie wusste ja, was sich in Rufus’ Beutel befand. Trotzdem war es ein ziemlich übertriebenes Manöver. Jetzt dachte Anselm natürlich, Filine wäre in Rufus verliebt.
Und richtig. Kaum hatte Filine es ausgesprochen, wandte sich Anselm ihr auch schon zu.
»Echt, du hast ihm einen Glücksbringer geschenkt?«
»Ja, warum denn nicht? Rufus und ich sind Freunde. Und Freunde schenken sich ab und zu etwas. So wie du deine eben grüßen lässt.« Filine sah Anselm ein wenig herablassend an. »Das Schenken ist übrigens eine sehr alte Tradition. Das Gastgeschenk zum Beispiel gibt es schon sehr, sehr lange. Aber das ist nicht alles! Mit Geschenken wurde auch schon immer Politik betrieben.« Sie deutete auf Bent, dessen Blick auf dem Schwert im Regal ruhte. »Geschenke sind ja nicht immer reine Herzensgaben, wie in meinem Fall! Sie verpflichten auch. Es gibt zum Beispiel strategische Geschenke. Man kann mit ihnen also ebenso gut Treue und Freundschaft beweisen wie sie auch vortäuschen. Ja, man kann mit einem Geschenk sogar Zwietracht säen …«
Jetzt lächelte Filine breit.
»Ich habe mein Geschenk Rufus jedenfalls nach unserer letzten Flut gegeben, weil wir sehr gut zusammengearbeitet haben. Es ist ein sehr altes Hufeisen, wie du bereits richtig vermutet hast. Nämlich ein römisches Hufeisen aus Bronze. Wie du ja sicher weißt, haben die Römer ihre Hufeisen zuerst noch an die Hufe angebunden. Dann aber haben sie später von den Kelten gelernt, die Hufeisen zu nageln. Die Ägypter hingegen verwendeten noch sogenannte Hipposandalen. Das waren geflochtene Sandalen aus Bast oder auch Lederschuhe, die –«
»Hör auf!« Anselm hielt sich die Ohren zu. »Musst du eigentlich immer gleich so oberlehrerinnenhaft sein? Du bist ja schlimmer als ein wandelndes Lexikon.«
Filine verzog scheinbar beleidigt das Gesicht.
Anselm grinste zufrieden. »Bitte, Direktor Saurini, können wir mit dem Unterricht anfangen?! Sonst hält Filine ja nie den Mund.«
Der Direktor nickte amüsiert. »Wenn ihr alle so weit seid, können wir beginnen.«
»Danke, Fili!«, flüsterte Rufus und beugte sich zu ihr. »Aber musstest du unbedingt so tun, als wärst du in mich verliebt? Wenn Coralia das erfährt, kommt sie bestimmt sofort angelaufen, um mich auszuquetschen oder damit aufzuziehen. Und ich war gerade so froh, dass sie sich seit ein paar Wochen nicht bei mir hat blicken lassen.«
»Keine Ursache!« Filine verkniff sich ein Grinsen. »Und ja, das musste ich. Es war nämlich die beste Art, Coralia zu ärgern. Und fühl dich bloß nicht so sicher! Dass sie dich in letzter Zeit in Ruhe gelassen hat, heißt noch lange nicht, dass sie ihre seltsamen Pläne mit dir nicht weiter verfolgt. Da gibt es auch andere Mittel und Wege.«
»Was meinst du denn damit?«, fragte Rufus verunsichert.
Aber Filine warf ihm nur einen vielsagenden Blick zu und wandte sich dem Direktor zu.
Dieser hatte gewartet, dass Bent wieder zurückkam, und zeigte nun auf das große Holzfloß. »Gut, dann können wir jetzt wohl endlich beginnen. Der Unterricht findet heute dort statt.«
No lachte. »Auf einem Floß in einem trockenen Kanal?«
»Ja«, nickte Gino Saurini. »Allerdings vermute ich, dass der Kanal nicht mehr lange so trocken bleiben wird. Es könnte gut sein, dass sich einige von euch gleich nasse Füße holen.« Er lachte auf. »Deswegen habe ich nämlich auch Gummistiefel an. Sicher ist sicher.«
»Wie soll
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