Das Schiff der Hoffnung
konnten, schlang er um alles noch ein paar elastische Binden und sicherte sie obendrein noch mit Arterienbinden.
Als er den letzten Handgriff tat, rührte sich auf dem OP-Tisch Umberto Saluzzo. Er stöhnte leise, wollte an seine Schläfe fassen und bemerkte da erst, daß er gefesselt auf dem Tisch lag.
»Diabolo!« schrie er. Hellberg wirbelte herum und trat an Saluzzo heran. Er blickte in haßerfüllte, flackernde und doch maßlos erstaunte Augen.
»Ich denke, Sie machen Ihren letzten Seufzer?« sagte Saluzzo mit trockenen Lippen. »Haben Sie sich gar nicht erhängt? Aber die Würgemale um den Hals … Hellberg, das war alles nur eine meisterhafte Komödie …«
»Sie haben aufgehört, die Hauptrolle zu spielen, Saluzzo.« Hellberg griff nach einem Leinen und faltete es so, daß man es als Knebeltuch verwenden konnte. Saluzzo erkannte sofort die Absicht Franks und bäumte sich in den Fesseln auf.
»Lassen Sie den Blödsinn, Hellberg!« schrie er. »Zum Teufel, wo bleibt Luigi?«
»Der liegt auf dem Untersuchungsbett und schnarcht. Ein bißchen Äther auf die Nase …«
»Was Sie sich einbilden, Hellberg, ist ein Phantom! Gut, ich liege hier, Luigi haben Sie ausgeschaltet …«
»Ihren Steward auch!«
»Ach! Fleißig! Fleißig! Aber wir sind hier zu 12 Mann an Bord! Und Sie sind allein.«
»Aber ich habe den großen Vorteil, daß die anderen Männer nicht wissen, was unterdessen in der Sanitätsstation vorgefallen ist. Aber was reden wir!« Frank beugte sich zu Saluzzo. Die Augen des Teufels weiteten sich noch mehr. »Hellberg …«, rief er. »Begehen Sie keine Dummheiten!«
Frank schüttelte den Kopf. »Ich habe noch nie klüger gehandelt als jetzt.« Er hob den Kopf Saluzzos etwas an, band das Tuch um dessen Mund und erstickte damit alle Worte und Flüche zu einem undeutlichen Murmeln. Das gleiche tat er mit Luigi Foramente und dem Steward. In den Taschen der beiden fand er je eine geladene Pistole, steckte die beiden Waffen ein und verließ das Krankenzimmer. Er schloß die Tür ab – eine schöne, feste, ebenfalls schalldichte Tür –, schob den Schlüssel in die Tasche und ging hinauf aufs Deck und zur Kommandobrücke. Aber auf halbem Wege blieb er wieder stehen, ging zurück zur Sanitätsstation, schloß wieder auf und durchsuchte auch die Shortstaschen Saluzzos. Hellberg hatte Glück. Saluzzo trug die Schlüssel zu den unteren Zellen bei sich. Als er sie aus der Tasche zog, stöhnte Saluzzo auf und wollte mit letzter Kraftanstrengung die Fesseln sprengen. Aber es waren feste, gute Lederriemen, und alle Kraft war unnütz.
»Sie werden sehen, Saluzzo«, sagte Hellberg und beugte sich über die haßsprühenden Augen, »wie fröhlich es bald an Bord wird. Ich werde jetzt Ihre Mädchen aus den Zellen befreien. Aber keine Angst, ich lasse sie nicht auf Sie los. Ich kann mir denken, wie es Ihnen dann ergehen würde, und ich habe noch so viel Humanität in mir, um das nicht zuzulassen.«
Er schloß wieder sorgsam ab und stieg dann hinunter zu den geheimnisvollen Zellen im Bug der Jacht.
Was werde ich antreffen? dachte er, als er den erleuchteten Gefängnisgang betrat. Wie werden die anderen Mädchen aussehen? Und vor allem: Wo werden wir landen, an welcher Küste, wenn ich den Matrosen oben am Ruder zwingen werde, einfach geradeaus zu fahren oder nach links oder nach rechts abzudrehen?
Während er die erste Zelle mit dem Universalschlüssel Saluzzos aufschloß, wußte Frank Hellberg, daß die Abenteuer mit diesem Tage erst begonnen hatten.
Die ›MS Budva‹ trieb lautlos in der Adria zwischen Bari und Dubrovnik.
Auf dem Spieldeck vertrieb die Bordkapelle tatsächlich den Tag mit flotter Musik, aus der Küche wurden eiskalte Getränke serviert, die Passagiere beobachteten die Tümmler, die um das Schiff herumtanzten, und die Schwärme silberner Fische, die wie ein Strom aus gerilltem Metall durch das blaue Wasser zogen. Man fotografierte, tanzte, machte Gesellschaftsspiele, belagerte die kleine Bar, lag in den Liegestühlen und sonnte oder brauste sich am Rande des leeren Schwimmbeckens.
Unter Deck aber, bei den Schwerkranken, herrschte diese fröhliche Ferienstimmung nicht. Der Engländer war wieder in Agonie gefallen, aber nicht ohne vorher seinen Neffen beschimpft zu haben, weil er nicht fähig sei, ein Flugzeug zu chartern, um Sarajewo und die Wunderpillen des Dr. Zeijnilagic zu erreichen. Auch ein schwedisches Ehepaar, das als erstes an Bord gegangen war und seitdem nur in ihrer Kabine gelebt
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