Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schiff der Hoffnung

Das Schiff der Hoffnung

Titel: Das Schiff der Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Erika eintrat. Er riß das Messer an sich, rannte an der erstarrten Frau vorbei zur Tür, warf sie zu und stellte sich davor.
    »Erschrecken Sie bitte nicht«, sagte er mit flackernden Augen. »Ich kam in Ihre Kabine, weil ich jemanden suchte, und dann übermannte mich die Müdigkeit. Diese Hitze. Und dann auf dem Wasser! Und dazu mein Auftrag, den ich erfüllen muß.«
    Erika wollte schreien, aber sie sah ein, daß es jetzt sinnlos war. Sie starrte auf das blanke Messer und nahm alle Kraft und allen Mut zusammen.
    »Sie sind Deutscher?« fragte sie.
    Der Herr aus Flensburg zog erfreut die Brauen hoch. »Oh, eine Landsmännin! Gestatten, Uve Frerik mein Name.« Er verbeugte sich mit eckigen Bewegungen und hielt sein Messer an der Hosennaht. »Großkaufmann aus Flensburg.« Dann ließ seine übertriebene Zackigkeit nach, er hob den Kopf und sah Erika mit fieberglänzenden Augen an. »Nach Sarajewo, gnädige Frau?«
    Erika nickte. »Ja …«, antwortete sie stockend. »Sie auch, Herr Frerik?«
    »Leidensgenossin?«
    »Ich weiß nicht, was Sie meinen …«
    »Krebs, Gnädigste! Die Krankheit unseres Jahrhunderts. Wir Kabineninhaber haben ihn ja doch alle, nicht wahr? Nebenan liegt ein Engländer im Koma, zwei Kabinen weiter liegt eine Dame mit Darmkrebs, in Kabine 9 ein Mammakarzinom, Kabine 23 drei Damen mit Magen-Ca., Uteruskrebs und Leukämie … und so geht es durch das Schiff bis zum C-Deck, wo ganze Sippen nach Sarajewo reisen, zu diesem Dr. Zeijnilagic und seiner Wunderdroge HTS! Auch ich!« Er verbeugte sich wieder wie bei der Vorstellung. »Lymphogranulomatose, Gnädigste. Von den Ärzten aufgegeben. Lebenserwartung noch sieben Monate. Sagen Sie ganz ehrlich: Wenn Sie meinen Körper sehen würden, alle Lymphbahnen sind aufgequollen wie Heferollen …«
    Erika sah sich hilfesuchend um. Zum Nachttisch, dachte sie. Dort steht eine Flasche Mineralwasser. Man sollte sie ihm an den Kopf werfen und dann hinausrennen. Doch dann starrte sie wieder auf das Messer in der Hand Freriks und wagte nicht, sich von der Stelle zu rühren.
    »Und … was wollen Sie noch in meiner Kabine?« fragte sie mit bewundernswerter Kraft. Wenn doch Karl käme, dachte sie dabei. Er steht oben und wartet auf mich mit dem Bier. Er muß doch nachsehen, warum ich nicht komme. Bestimmt sieht er nach … Noch fünf Minuten Mut … vielleicht zehn Minuten …
    »Wie ich schon sagte, Gnädigste, ich ruhte mich aus. Ich suche Dr. Mihailovic. Ich muß ihn töten.«
    »Was müssen Sie?« stammelte Erika. Kalter Schweiß trat auf ihre Stirn. Jetzt erst sah sie an dem flackernden Blick und den unruhigen Händen, daß Uve Frerik ein Irrer war, daß sie sich mit einem gefährlichen Verrückten in einem Zimmer befand und keine Möglichkeit hatte zu flüchten. Das schnürte ihr die Kehle zu, und sie wich zur Wand zurück.
    »Das Problem ist einfach, Gnädigste«, sagte Frerik in fast dozierendem Tonfall. »Ich habe eine langjährige Erfahrung im Umgang mit Ärzten. Meine Mutter starb an Krebs, mein Vater verendete an einem verschleppten, durchgebrochenen Blinddarm, der falsch operiert wurde, und – auch so etwas gibt es in unserem Jahrhundert! –, meine Schwester verunglückte und starb an einer Hirnquetschung, die man nicht erkannte. Meine Frau wurde vor drei Jahren mit Kobaltbestrahlungen zu Tode bestrahlt. Sie sehen, ich habe den besten Umgang mit Ärzten und erfuhr, was man ärztliche Kunst und Wissen nennt. Immer haben die Ärzte geglaubt, sie hätten mich beobachtet … ein verzeihlicher Irrtum: Ich habe sie studiert! Ihre Arroganz gegenüber fragenden Patienten, ihre vollendete Lügenhaftigkeit, ihr mangelndes Wissen, das sie mit tönenden, lateinischen Vokabeln umkleiden, ihre Interessenlosigkeit gegenüber dem einzelnen und ihr Spiel mit den Krankenscheinen. Gewiß, es gibt auch weiße Hirsche, zahme Löwen, nicht staubende Briketts und geruchlose Ausdünstungen. Aber das sind Ausnahmen und die guten Ärzte sind solche Ausnahmen. Man betrachtet sie in ihrem Kollegenkreis ja auch als Außenseiter!«
    Uve Frerik, der Irre, holte tief Atem und schlug im Stehen die Beine übereinander. Erika starrte gegen die Tür. Warum kommt Karl nicht, dachte sie. Warum läßt er mich mit diesem Wahnsinnigen allein?
    »Als ich dieses Problem unserer Medizin erkannt hatte, und es bedurfte dazu immerhin der Ausradierung meiner Familie durch die Ärzte, erhielt ich den Auftrag, die Ärzte zu vernichten, um der Menschheit die Möglichkeit zu geben, aus eigener Kraft

Weitere Kostenlose Bücher