Das Schiff der Hoffnung
gebracht und fahren mit dem Fährschiff zurück nach Bari. Ohne Paß geht es leider nicht. Bitte, haben Sie Verständnis dafür.«
Hellberg versuchte gar nicht zu handeln. Dubrovnik, dachte er. Sind wir erst einmal dort, wird es auch leicht sein, nach Sarajewo zu kommen. Die Hauptsache ist, wir sind keine Gefangenen mehr.
Eine Stunde später saßen sie in Begleitung eines Polizisten in Zivil in dem klapprigen Omnibus, der die Küstenstraße entlang fuhr über Bar-Budva-Zelenika nach Dubrovnik. Was mit Saluzzo und seinen Männern geschehen war, hatte man ihm nicht gesagt, auch von den Mädchen und Juanita Escorbal konnte er sich nicht verabschieden. Sie standen noch unter Bewachung und hockten in ihren Hotelzimmern. Aber einen Brief hinterließ Hellberg mit seiner deutschen Adresse und der Bitte, sich zu melden, wenn Juanita wieder Spanien erreicht hatte. Ob sie den Brief jemals bekam, wer wußte es?
Frank Hellberg hörte jedenfalls nie mehr etwas von Juanita Escorbal. Und auch von Umberto Saluzzo nicht.
Der Bus war überfüllt. Hellberg und Claudia erhielten nur deshalb einen Fensterplatz, weil der begleitende Polizist zwei Bauern einfach von den Sitzen zog und in den Gang stieß. Es gab ein großes Geschrei, der Fahrer kam herangelaufen, einen dicken Schraubenschlüssel in der Faust. Aber dann erkannte er den Polizisten, grinste verlegen, tippte an die Mütze und ging zurück zum Fahrersitz. Vor dem Bus brüllte der Schaffner zwei Frauen in schwarzen Kopftüchern an, weil sie geflochtene Körbe mitnehmen wollten, aus denen gackernd Hühnerköpfe heraussahen. Als der Bus endlich fuhr, saßen alle drin wie in einer Kiste zusammengepreßte Heringe. Es roch nach Knoblauch und Schweiß, gesäuertem Kohl und Slibowitz.
Fröhlich hupte der Fahrer zum Abschied von Ulcinj, dann ratterte er aus der Fischerstadt, schob die Kappe in den Nacken und konzentrierte sich auf die enge Straße.
Eine Kontrolle der Geschwindigkeit gab es nicht, der Tachometer auf dem Armaturenbrett war kaputt. Auch die anderen Instrumente, ohne Glas, versagten. Doch was tat's? Wenn der Motor spuckte, war es zu schnell, und blieb der Bus stehen, fehlte Benzin – es war eine einfache Regel.
Drei Stunden fuhren sie die Steilküste entlang; über Haarnadelkurven, bei denen sich Claudia ängstlich an Frank klammerte, denn mehr als einmal war es, als stürze der Bus in die Tiefe. Dann kam wieder eine Station, meistens ein Gasthaus in einem der gottverlassenen Dörfer. Fahrer, Schaffner und der Polizist stiegen aus, und wenn sie zurückkamen, roch der Bus noch stärker nach Slibowitz, und die Stimmung stieg.
Eselskarawanen kamen ihnen entgegen. Am Straßenrand kampierten Zigeunerfamilien, mit primitiven Zelten, über dem offenen Feuer Hühner bratend. Vor den Dörfern überholten sie Frauen, die Riesenlasten auf dem Kopf trugen. Ballen und Körbe, Tonkrüge und sogar Kisten.
Vor jeder Serpentine und scharfen Kurve ging ein Zucken des Erschreckens durch die Reisenden: Der Fahrer drückte auf die Preßluftfanfaren und raste schleudernd und mit einem Höllenlärm um die Felsen. Der Polizist neben Hellberg wickelte ein Butterbrot aus und begann zu essen. Salami, die scharf nach Knoblauch roch, und ein Stück Käse, dessen Duft durch den vollen, heißen Wagen zog wie eine klebrige Masse. Irgendwo würgte eine Frau und übergab sich in eine Tüte, die der Schaffner im Laufschritt heranbrachte. Der Polizist grinste und bot auf der Messerspitze Hellberg ein Stück des radikalen Käses an.
»Danke«, sagte Hellberg und schluckte krampfhaft. »Nein, danke.«
Kurz vor der uralten Stadt Kotor mit ihren Befestigungen, den fjordähnlichen Meeresengen und den unheimlich steilen, hohen Bergen ringsum drückte der Fahrer mehrmals auf seine höllische Preßluftfanfare.
Vor ihnen, auf der Straße, lief gemütlich ein Esel. Er sah sich um, wackelte mit den Ohren, hob den Schwanz und lief dann weiter, ohne sich um den Lärm der Hupe zu kümmern.
An den Fenstern klebten die Gesichter der Reisenden, schadenfroh und fröhlich.
»Immer langsam, Freundchen!« rief jemand.
Und ein anderer: »Es ist seine Straße. Kann man's ihm übelnehmen?«
Behutsam fuhr der Bus hinter dem trottenden Esel her. Als das Tier endlich abbog in einen Feldweg, klatschten die Reisenden Beifall, der Bus heulte auf und rasselte die Serpentinen hinunter zur Fähre, die über einen der Fjorde nach Kotor fährt. Aus zwei Fischerbooten war sie zusammengesetzt, und als der voll beladene Bus darauf
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