Das Schiff der Hoffnung
gewesen.
»Marion Gronau wird den Lord betreuen.« Er sagte es, als müsse er Essig schlucken. »Und die Blicke zu dem jungen Lord Robert gefallen mir gar nicht …«
»Geht es dich noch etwas an, Karli?« fragte Erika leise.
Haußmann schüttelte den Kopf. »Das nicht, Rika! Aber die Fahrt nach Sarajewo wird immer komplizierter, jetzt haben wir auch noch einen sterbenden Lord im Gefolge. Und ich habe mir das alles so einfach vorgestellt, wenn wir erst einmal in Dubrovnik sind …«
»Fertig!« sagte Marion Gronau fröhlich und trat an den Wagen heran. Der Blick des jungen Lords hatte ihr gutgetan. Nun habe ich eine massive Waffe gegen Karl, dachte sie zufrieden. Wenn er nur ein klein wenig noch für mich fühlt, wird er vor Eifersucht zerplatzt sein, bevor wir in Sarajewo sind. Oder er wird mir erklärt haben, daß er mich noch liebt und die Zukunft nicht so dunkel ist, wie er sie jetzt hinstellt. Frank Hellberg ist für mich verloren, ein junger Lord kann nur eine kleine Abwechslung sein, so einer heiratet keine kleine Sekretärin … es bleibt nur noch Karl Haußmann, der alternde Mann, der froh ist, wenn ihn die Jugend anhimmelt und belügt.
»Können wir?« fragte sie und schüttelte die langen, blonden Haare.
»Schon längst! Steigen Sie endlich ein, Marion!« sagte Haußmann grob.
Im Hotel ›Petka‹ wurden sie empfangen wie fremde Fürsten. Vier Boys bemühten sich, die Trage mit dem ungemein lebendigen Lord Rockpourth ins Hotel zu schleppen. Drei Hausdiener kümmerten sich um das Gepäck. Die Zimmer waren groß und sauber, wenn auch für verwöhnte europäische Begriffe einfach eingerichtet. Das schönste an ihnen war der Balkon. Von ihm aus hatte man einen zauberhaften Blick über den Hafen, die Einfahrt, die weißen Jachten und hinüber zu den Hügeln mit den Villen inmitten blühender Gärten.
»Ein Märchen …«, sagte Erika, als sie zurück ins Zimmer trat. Haußmann saß auf dem Bett, umgeben von Koffern und Taschen, und schwitzte. Er hatte eine kurze Auseinandersetzung mit Marion gehabt, von der Erika nichts ahnte.
Und das war so gekommen: Die Boys hatten einen Koffer verwechselt, er hatte ihn hinüber in Marions Zimmer getragen und dabei gesehen, wie der junge Lord Robert gerade herauskam und etwas verlegen grüßte.
»Aha!« sagte Haußmann, als er eintrat. Marion saß vor dem Frisierspiegel und kämmte sich die windzerzausten Haare. »War sehr stürmisch, der junge Herr, nicht wahr?«
»Oh, mein Bärchen!« Marion lächelte spöttisch. »Es ist ein Unterschied, ob man 24 oder 50 Jahre alt ist …«
»Man sollte dich rechts und links …«, schrie Haußmann und warf Marions Koffer auf den Boden.
»Bitte!« Marion hielt ihren Kopf Haußmann entgegen. »Schlag' zu! Wenn das alles ist, was du an Männlichkeit zu bieten hast.«
»Es wäre besser, du würdest gleich morgen zurückfahren nach Deutschland!«
»Das geht nicht, Bärchen. Ich bin jetzt auch noch Gast des Lords. Robert – oder sagt man besser Bob? – brachte mir eben die offizielle Einladung. Ich habe natürlich zugesagt.«
»Natürlich!«
»Wo du immer so böse zu mir bist …« Sie zog einen Schmollmund, aber Haußmann wandte sich ab und trat an das Balkonfenster.
»Laß die Albernheiten! Du machst dich über mich lustig. Ich weiß es. Und ich habe es auch verdient. Es war mein Fehler, auf deine körperlichen Vorzüge hereinzufallen und dabei zu übersehen, was für einen Charakter du hast.«
»Fehler radiert man aus«, sagte Marion schnippisch. »Auf der Schreibmaschine – und auch im Leben. Warum bist du eigentlich so wütend, Bärchen?«
»Du benimmst dich unmöglich!«
»Und du? Auf dem Schiff, die ganze Reise über? Als ob ich ein Stück Dreck wäre, das man nicht abschütteln kann. Gut, deine Frau ist schwerkrank, vielleicht unheilbar …«
»Ich bitte dich zum letzten Mal, Marion, nicht so gleichgültig über Erika zu sprechen«, schrie Haußmann und ballte die Fäuste. »26 Jahre lebe ich mit ihr zusammen, sie ist die Mutter meiner Kinder, und wenn ich sie auch betrogen habe: Du, gerade du solltest Achtung vor ihr haben. Ihre Krankheit sollte uns beide erschüttern.«
»Du bist ein merkwürdiger Mensch.« Marion Gronau legte den Lippenstift weg und leckte über ihre bemalten Lippen. »Aus dir soll man klug werden. Wen liebst du eigentlich? Erika oder mich?«
Haußmann atmete tief auf. Wie oft hatte er sich diese Frage gestellt und wie oft hatte er vor ihr kapituliert. Darauf gab es keine Antwort. Das war
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