Das Schiff der Hoffnung
Durch die dalmatinischen Berge führte dieser Weg und dann später durch ein verkarstetes Land mit Wildbächen und romantisch-schwindeligen Brücken über den Fluß Bosna.
Noch waren sie alle in einer fröhlichen Stimmung. Die Sonne meinte es gut, nur wenige Wagen begegneten ihnen auf der Straße, meistens uralte Lastwagen, die Obst und Gemüse transportierten, zweimal auch ein klappriger Omnibus, überfüllt und schwankend, mit wehmütig heulendem Motor.
Dreimal hielten sie an, um Lord Rockpourth etwas zu trinken zu geben. Marion übernahm das. Aus einer Schnabeltasse flößte sie kalten Tee zwischen die blassen Lippen des Kranken, und nur an den Augen erkannte man, wie gut es Lord Rockpourth tat und wie dankbar er dafür war.
»Wie lange fahren wir?« fragte beim dritten Halt der junge Lord und bot Haußmann eine Zigarette an.
»Bei diesem Tempo etwa zehn Stunden.« Haußmann sah auf seine Uhr. »Wenn wir Glück haben, können wir gegen 21 Uhr in Sarajewo sein. Jetzt ist es 10.30 Uhr. Aber ich befürchte, daß wir unterwegs übernachten müssen. Ihr Onkel hält es nicht durch.«
»Es ist sein Wille, in einem Tage nach Sarajewo zu kommen.«
»Na, dann Prost!« Haußmann inhalierte die süßliche englische Zigarette. »Dann machen Sie sich darauf gefaßt, daß wir eine halsbrecherische Nachtfahrt über Schluchten und durch verlassene Täler vor uns haben.«
In Ulcinj waren Frank Hellberg und Claudia Torgiano von Experten aus Titograd eingehend verhört worden. Sogar zwei Kommissare der politischen Polizei waren gekommen, denn der Fall Saluzzo weitete sich zu einem in seinen Auswirkungen – bis jetzt noch unbekannten – internationalen Skandal aus. Umberto Saluzzo nämlich, sofort die Lage überblickend, daß er hier keinerlei Chancen mehr besaß, hatte Verbindungen spielen lassen, bohrte einen heißen Pfahl ins Fleisch jugoslawischer Vaterlandsliebe. Er sagte aus, daß einer der ›Zwischenverkäufer‹ ein gewisser Milan Osijek sei, Mitglied des Volksrates in Belgrad und Präsident der Anwaltskammer in Zagreb. Außerdem ein alter Partisan und Duzfreund von Marschall Tito.
Die Sensation war vollkommen. Ein Telefongespräch, ganz vorsichtig und harmlos, bestätigte, daß ein Milan Osijek tatsächlich im Volksrat saß und ein bekannter Rechtsanwalt war.
»Eine schöne Schweinerei, Genossen«, sagte der verhörende politische Kommissar, als man Saluzzo wieder abgeführt hatte. »Wie soll man jetzt weiter ermitteln, ohne nicht den eigenen Hals in die Schlinge zu legen? Stellen Sie sich vor, Genossen, man muß hingehen zu Marschall Tito und ihm sagen: ›Ihr Freund Milan ist ein schönes Früchtchen. Mit Mädchen handelt er!‹«
Die anderen Polizeioffiziere schwiegen. Sie konnten es sich nicht vorstellen. So etwas hatte man nicht eingeplant.
»Aber es muß doch etwas geschehen, Genosse!« sagte der Polizeichef von Ulcinj. »Wir haben sie nun mal alle verhaftet. Und sie werden nicht schweigen, sondern protestieren. Vor allem der Deutsche! Ein Journalist ist er. Durch die ganze Presse wird es gehen.«
»Man sollte einmal mit dem Deutschen sprechen.« Der politische Kommissar malte nervös Kreise und Winkel auf seine Schreibunterlage. »Was ist eigentlich passiert? Sehen wir es uns genau an, Genossen. Eine Privatjacht hat keinen Brennstoff mehr, wird abgeschleppt, kommt nach Ulcinj … weiter nichts. Es kann also gar keine Rede sein von illegaler Einwanderung oder dergleichen Blödsinn. Man tankt die Jacht wieder auf, und die fährt davon. Basta!«
»Und die Mädchen?« fragte der Hafenkommandant.
»Die werden nach Dubrovnik gebracht und mit dem nächsten Schiff nach Bari geschickt. Saluzzo ist italienischer Staatsangehöriger; wenn sie Klagen haben, geht das Italien etwas an, nicht uns. Wozu Verwicklungen, Genossen? Man hätte das in Ulcinj auch selbst überblicken können, ohne Titograd zu belästigen. Wir handeln korrekt, wir schieben die Mädchen in die Heimatländer ab. Was will man mehr?«
»Und der Deutsche mit seiner Braut. Sie wollen nach Sarajewo.«
»Sollen sie!«
»Diese Claudia hat keinen Paß!«
»Dann fährt sie zurück nach Italien mit den anderen. Wozu diese Aufregungen? Es ist doch alles so einfach.«
Es zeigte sich, daß die Kommissare aus Titograd wirklich Fachleute waren. In Gruppen wurden die Inhaftierten aus dem Hotel entlassen. Zuerst Frank Hellberg und Claudia Torgiano.
Man war sehr höflich zu ihnen, entschuldigte sich und sagte dann:
»Sie werden heute noch nach Dubrovnik
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