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Das Schlangenmaul

Titel: Das Schlangenmaul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Fauser
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Missiles … was hatten die beim Stern denn wieder rausgekramt? ›Zurück zur Liebe‹, Kinder, das hab ich doch schon 1979 für die Konkurrenz gemacht.
    Als Nuchali aus dem Bad kam, trug sie einen hautengen roten Bodysuit, der ihre Kurven gut zur Geltung brachte. Sie war fünfundzwanzig, aber es war schon abzusehen, daß sie bald aufgehen würde wie ein Buddha. Ich hatte nichts dagegen, wenn Deutschland wenigstens dazu gut war. Sie kniete sich vor mich hin.
    »Möchtest du bleiben, Joe?«
    Ich steckte drei Scheine in die Blumenvase.
    »Betsy sagt, ich soll machen, daß du länger bleibst. Warum?«
    »Sie braucht den Zaster. Du weißt doch, sie spart auf ihr Restaurant.«
    Aber Nuchali zog ihre Nase kraus und senkte die Wimpern. Der Druck ihrer Ellenbogen verstärkte sich. Mit Sprechen verstehst du mich nicht, hieß das. Machen wir anders weiter.
    Ihr Bettkasten stand erhöht und durch einen Vorhang mit aufgedruckten Sternzeichen vom Zimmer abgetrennt. Ein Sündenpfuhl aus dicken Schaumgummimatratzen mit einem dunkelroten Stretch-Bettuch und bunten Seidenkissen. Nuchali steckte ein Räucherstäbchen an. Sweet Jasmine. Die Hi-Fi-Anlage, die alle Räume berieselte und von der Küche aus gesteuert wurde, gab einen seichten Swing von sich. Abstellen konnte man sie nicht. Ich hatte mich schon bei Betsy deswegen beschwert, aber nur eine dumpfe Ausrede gehört: Im Supermarkt beschwerst du dich auch nicht, Schätzchen. Als ich meine Klamotten los war, fing Nuchali an, mich zu massieren.
    »Entspann dich, Joe. Nur atmen …«
    »Ja, da oben.« Ich unterdrückte einen Schrei, dann: »Sag mal, kennst du den Club Kamasutra?«
    »Ja, Joe. Hab ich auch gearbeitet.«
    »Wann war das?«
    »Vorher. Entspann dich, Joe.«
    »Mach ich doch. War der da schon in der Bleibtreustraße?«
    »Ist doch egal.«
    »Gute Arbeit da?«
    »Arbeit, Joe. Ich mußte bezahlen für Aufenthaltsgenehmigung, Arbeitserlaubnis, all das.«
    »Und im Kamasutra hast du viel Geld verdient?«
    »Arbeitserlaubnis, Aufenthaltsgenehmigung.«
    »Das heißt, du hast für die Papiere gearbeitet?«
    »Egal, Joe. Nur atmen.«
    Für die Papiere ficken – das paßte. Im KZ hatten sie sie auch gefickt – und manche waren sogar mit dem Leben davongekommen.
    »Sag mal, wer hat dich ins Kamasutra gebracht? Der Mann, der dich aus Thailand geholt hat?«
    »Egal, Joe. Hier ist es besser. Bei Betsy.«
    »Hm. Mach da unten weiter, Nuchali, ja.«
    Ihre Finger konnten alles – sie waren stark wie Affenpfoten, scharf wie Katzenklauen und zärtlich wie Schmetterlingsflügel.
    »Wann warst du zuletzt im Kamasutra, Nuchali?«
    »Oh, manchmal arbeite ich da noch.«
    Ich hielt ihre Hand fest und zog sie zu mir. »Für wen?« Sie schüttelte den Kopf und deutete mit einem Finger auf die Lautsprecherbox. Dann eine Bewegung zum Mund. Und schließlich ihr Mund an meinem Ohr: »Betsy kann uns hören, Joe.«
    Die alte Mamasan? Möglich. Vielleicht konnte sie nicht mehr anders, obwohl Betsy mir meistens jenseits von Gut und Böse schien. Aber da war das Spezialitätenrestaurant … ich drehte die Musik lauter. Sehr laut. Abstellen konnte man sie nicht, aber man konnte sie so laut aufdrehen, daß die Scheiben zitterten.
    »Nimmt Betsy das alles auf Tonband?«
    Nuchali zuckte die Schultern. »Ein Mädchen hat mir das gesagt, Joe.«
    »Paß mal auf, Nuchali. Im Kamasutra, was ist da die Spezialität?«
    »Warum willst du das wissen, Joe?«
    Ich erzählte ihr – Stichworte genügten – von dem Mädchen, das ich suchte, aber sie schüttelte den Kopf. Sie kannte die anderen Mädchen nicht, die dort arbeiteten. Nuchali kam ins Kamasutra nur für einen besonderen Kunden. Einen, den sie von früher kannte.
    »Was ist das für ein Mann?«
    »Big Boß, Joe. Mehr weiß ich nicht.«
    Ich sah einen Funken in ihren Augen. »Hast du Angst, Nuchali?«
    Sie zuckte die Schultern. »Keine Angst. Aber warum fragst du das alles? Das ist nicht gut, Joe, soviel Fragen. Warum mußt du das Mädchen finden?«
    Ja, warum? Ich steckte mir eine Zigarette an. Die Musik war viel zu laut. Da konnte kein Mensch denken. Ich machte sie leiser. Die Zigarette, richtig. Nikotin half beim Denken. Oder warum rauchte man sonst? Schlechte Gewohnheit? Bestand das ganze Leben nur aus schlechten Gewohnheiten? Angst, Feigheit, für Geld ficken, für Geld fragen, für Geld nicht fragen? Ich starrte die Thailänderin an. Was hatte sie davon, mir meine Fragen zu beantworten? So ging das nicht. Harder, du baust Scheiße. Bleib bei deinem

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