Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Schlangenmaul

Titel: Das Schlangenmaul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Fauser
Vom Netzwerk:
Bi-Welle mitgemacht und die Partnertauschwelle und die Ich-fick-überhaupt-nicht-mehr-Welle, der kennt die chinesische Dreifachrolle rückwärts und hat auch schon mal mit dem Leder und dem Wäscheseil geprobt. Ganz zu schweigen von dem Koks und den Poppern und der ganzen Chemie. Wenn du den in ein Etablissement locken willst, mein Junge, da mußt du schon etwas Spezielles bieten. Der will doch nicht in so einen Puff, wo vielleicht noch der Abgang von seinem Großvater in den Ritzen verschimmelt.«
    »Paß auf, Betsy.« Ich beugte mich zu ihr und legte mein Gesicht in besorgte Falten. »Ich suche ein Mädchen. Privat. Hat nichts mit einer Reportage zu tun. Ein Mädchen ist verschwunden, ich helfe den Leuten, sie zu finden. Könnte sein, daß sie im Milieu gelandet ist.«
    Ihr Bulldoggengesicht drückte Desinteresse aus – aber vielleicht auch Vorsicht. »Mädchen verschwinden immer mal, Harder. Du hast doch genug Mist darüber verzapft.«
    »Hier geht es um einen Freundschaftsdienst, Betsy. Und du weißt doch, wie das mit Freundschaftsdiensten ist.«
    »Ich hab keine Freunde.«
    »Man tendiert dazu, ziemlich hartnäckig zu sein.«
    »Ach Gottchen. Nun hör mir mal zu, Harder. Du bist hier gern gesehen – als Kunde. Aber wenn du anfängst, dumme Fragen zu stellen und herumzuschnüffeln nach kleinen Mädchen, dann ist es vorbei mit der Freundschaft. Leute, die herumschnüffeln und Erkundigungen über irgendwelche verlorenen Töchter einziehen, sind in diesem Geschäft eine Pest. Aber eine Pest, gegen die es Mittel gibt.«
    »Nun übertreib mal nicht«, sagte ich und lächelte aufmunternd. »Einigen wir uns darauf, daß es schlechte Reklame ist. Verdammt schlechte Reklame, wenn da so eine trübe Geschichte aufgerührt wird. Nicht für die Spezialbetriebe, Betsy. Die feinen Etablissements, die haben ihre Kundschaft sicher. Aber die Leute von der Konditorinnung, die werden mal wieder nachdenklich, wenn sie so eine Geschichte in der Zeitung lesen. Und dann streichen sie beim nächsten Innungsabend den Besuch im Puff. Du weißt ja mein Gott, das könnte ja meine Tochter sein.«
    »Worauf willst du hinaus, Harder?«
    »Sag ich doch – ich helfe den Leuten, ihre Tochter zu finden. Vielleicht ergibt sich ja, daß alles ein Mißverständnis war. Vielleicht ist sie längst in einer Hippie-Kommune in Katmandu. Oder einen Meter tief verscharrt im Grunewald. Aber es gibt da eine mögliche Verbindung zu einer Art Sekte. Hier in der Bleibtreustraße. Indische Mystik, Schlangenbeschwörung, dieser Zimt. Und im gleichen Haus gibt es eben auch den Club Kamasutra. Verstehst du, worauf ich hinaus will?«
    Ihre Augen waren nur noch zwei Schlitze, und ihre Stimme rutschte eine Oktave tiefer. »Kamasutra? Schlag dir das aus dem Kopf, Schätzchen. Im Kamasutra arbeiten keine Anfangerinnen.«
    »Ich würde ein paar Scheine springen lassen, wenn ich mich davon selbst überzeugen könnte.«
    »Vergiß es. Für ein paar Scheine bekommst du im Kamasutra noch nicht mal einen Kamillentee.«
    »Und wenn du mich dort anmeldest?«
    Sie lachte, und wenn Betsy Glück lachte, sah man den griechischen Matrosen am Boden liegen. »Mach dir lieber mit deinen Scheinen einen netten Abend, Schätzchen. Das ist billiger und auch viel gesünder.«
    In diesem Augenblick steckte Nuchali ihren Kopf in die Küche, und als sie mich entdeckte, strahlte sie.
    »Dein Schatz ist schon da«, sagte Betsy Glück, eine Oktave höher. »Er hat gerade eine Menge Geld gespart, mach’s ihm also schön, Nuchali, mein Täubchen. Macht’s euch gemütlich, Kinder, und, Harder – bleib bei deinen Artikeln. Da kosten dich die Fragen nichts.«

12
    Nuchali verschwand erst im Badezimmer, und ich ließ mich solange in dem Sessel neben dem Waschbecken nieder und blätterte in dem Stapel Zeitschriften auf dem Teewagen. Die Thailänderin liebte unsere Illustrierten, und seit sie wußte, daß ich auch mal für sie geschrieben hatte, wartete sie Woche für Woche geduldig darauf, daß endlich mein Name unter einem Artikel stand – und sei es unter einem Kochrezept.
    Die Neonröhre in dem engen, überheizten Zimmer mit den schwarzen Tapeten verbreitete ein bläuliches Licht, gerade die richtige Beleuchtung, um nachzusehen, was die Jungs in der Branche sich abfriemeln mußten: Waldsterben … Flick … die Hungersnöte … aber dann doch immer wieder das gute alte Lesefutter und das Diktat der Farbstrecken … und die Serien … ob Heimat oder Impotent, ob Königshäuser oder Cruise

Weitere Kostenlose Bücher