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Das Schlangenmaul

Titel: Das Schlangenmaul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Fauser
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gefunden, und da stand sie, in ihrem weißen Kleid, mit ihrem weißen Gesicht und ihren starren Augen.
    »Geh sofort ins Haus, Shiva!«
    »Shiva gibt es nicht mehr«, sagte ich und nahm Miriam am Arm und bugsierte sie an der Frau vorbei auf die Straße. Endlich kamen aus Lübars die Lichter, auf die ich gewartet hatte. Und der Frenkel fielen die Schlangen ein.
    Mit einem irren Schrei rannte sie auf die brennende Baracke zu. »Die Schlangen! Meine Kinder! Rettet meine Kinder!«
    In der Ferne schlug die erste Sirene an. Endlich hielt das Taxi, und ich schob Miriam hinein.
    »Alles klar, Chef?«
    Er hatte immer noch den Seemannspullover an, und in seinen Ohrläppchen glitzerte der Ring.
    »Jetzt kannst du dir deine Prämie wirklich verdienen«, sagte ich und stieg ein. Der Schotter spritzte an die Fenster. Wir schafften es gerade noch. Es war immer gut, noch einen Trumpf im Ärmel zu haben.
     
    Um 3 Uhr 42 standen Miriam und ich vor dem Haus in Volksen und hörten zu, wie das Taxi durch die stillen Straßen zur B 217 fuhr, zurück nach Berlin. Das pinkfarbene Neonherz gegenüber war immer noch in Betrieb. Ich mußte einige Male auf die Klingel drücken, und der Hund hatte schon längst angefangen zu bellen, bis Nora Schäfer-Scheunemann über die Sprechanlage fragte, wer da sei.
    »Harder«, sagte ich. »Der Bergungsexperte aus Berlin.«
    »Harder? Was wollen Sie denn hier?«
    »Ich bringe Ihnen Ihre Tochter wieder«, sagte ich.
    Es sah so aus, als hätte ich meinen Auftrag erledigt.

37
    Um halb sechs saßen wir in dem großen Raum mit der Fensterfront, und der Hund lag in seinem Korb und knurrte noch.
    Er hatte Miriam zunächst mit überschwenglicher Freude begrüßt, aber die hatte sich bald gelegt und war in Furcht und Schrecken umgekippt, als er anfing, die Schlange zu wittern, mit der Miriam so lange gelebt hatte. Er hatte geknurrt und gewinselt und sich dann in seinen Korb verkrochen, und Miriam hatte endlich angefangen zu begreifen, wo sie war, und dann war der Schrei gekommen, der selbst mir durch Mark und Bein ging und Sascha zu mir flüchten ließ, und dann war sie mit ihrer Mutter nach oben gegangen in ihr altes Zimmer, und etwas später war Nora in ihrem schwarzen Kimono erschienen, dezent geschminkt und parfümiert, und hatte Kaffee gekocht. Und Sascha knurrte.
    Ich schob die Kaffeetasse zur Seite, drückte meine Zigarette aus und überflog noch einmal meine Spesenabrechnung. 1190 DM, eine kostenbewußte Bergung. Aber ich war schließlich bekannt dafür, daß ich schneller arbeitete als andere. Der größte Einzelposten waren die 500 DM, die ich dem Taxifahrer gegeben hatte. Ich brachte die Abrechnung meiner Auftraggeberin, die hingegossen auf der Récamiere lag, und blätterte ihr den Rest der 3000 Mark auf den Tisch, achtzehn Hunderter und einen Zehner.
    »Was soll ich damit, Harder?«
    »Das ist die Spesenabrechnung.«
    »Lassen Sie doch den Unsinn.«
    »Abrechnungen sind kein Unsinn.«
    »Wie Sie wollen. Sie haben Ihren Auftrag ausgeführt, ich gebe Ihnen dann einen Scheck. Möchten Sie sich nicht eine Weile hinlegen? Sie müssen doch schrecklich müde sein.«
    Sie strich mir ganz sacht über die Hand.
    »Wenn es Ihnen recht ist, nehme ich den Scheck und schlage mich in die Büsche.«
    »Setzen Sie sich doch noch einen Augenblick.«
    Ich setzte mich, aber nicht zu ihr, sondern in einen Sessel. Noch eine Zigarette. Sie schmeckten wie glühender Teer – sie schmeckten nach dem, was ist. Ich mochte sie. Sogar meine Heiserkeit schienen sie auszuglühen.
    »Mir ist unklar«, sagte ich, »ob ich Ihren Auftrag tatsächlich ausgeführt habe. Gestern Nachmittag wollten Sie noch, daß ich die Finger davon lasse.«
    Ihre Finger glitten – statt über meine Hand – über ihre Perlenkette. Die Perlen paßten auch besser zu ihnen.
    »Nun, nachdem Miriam mich angerufen hatte …«
    »Pardon«, sagte ich. »Ich habe zwar aus der Kleinen nicht viel herausgebracht auf der Fahrt hierher, aber sie hat nie im Leben bei Ihnen angerufen. Das Mädchen war bis vor ein paar Stunden in einem Zustand, den die Leute früher verhext nannten. Für Miriam war eine Königskobra ihre Mutter, Nora, machen Sie sich das bitte klar, damit Sie wissen, was auf Sie zukommt. Und erzählen Sie mir nicht schon wieder einen Haufen Halbwahrheiten und Ammenmärchen.«
    »Wie meinen Sie das, Harder?«
    Ihre Stimme blieb warm und gelassen, und ihre Augen schimmerten verlockend. Tauche in meine Traumwelt ein, und du bleibst dein ganzes Leben lang

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