Das Schlangenmaul
Schlange zuckte hoch und zischte, und ich hielt den Atem an. Im Schein der Kerzen, in dem der vergoldete Buddha leuchtete, sah die Schlange noch furchterregender aus als im Neonlicht. Sie wendete den Kopf hin und her. Bisher hatte sie sich im Dunkel des Korbs sicher gefühlt. Im Korb gab es keine Sicherheit mehr. Sie zischte noch erregter. Das Mädchen stand ruhig da, erhobene Arme, ausgestreckte Hände.
»Paß auf, Shiva«, sagte Malzan. »Harder hat eine Waffe. Tu den Deckel auf den Korb, und sei vorsichtig.«
Aber Shiva schien ihn nicht zu hören. Sie wartete, bis der Rhythmus ihres Atems paßte, dann sank sie auf die Knie und fixierte die Bewegungen der Schlange mit ihren eigenen Bewegungen – sie ließ ihren Körper tanzen. Aber die Schlange folgte ihren Bewegungen nicht. Sie erstarrte und zischte.
»Das ist die falsche Schlange«, sagte ich zu Malzan. »Du Hund hast die falsche Schlange in den Korb getan.«
»Blödsinn«, zischte er. »Schlangen sind wie wir – manchmal wollen sie nicht.«
»Geh rüber«, sagte ich. »Geh zu dem Mädchen.«
»Bis jetzt hast du völlig richtig gehandelt«, sagte er. »Hätte ich auch gemacht an deiner Stelle.«
»Hättest du nicht gemacht, Malzan. Du hättest ihm freie Entfaltung geboten. Geh rüber.«
»Wir können uns immer noch einigen.«
»Gestern Abend vielleicht«, sagte ich. »Jetzt nicht mehr. Geh rüber, oder ich jag dir eine Kugel in die Kniekehle. Du wirst vielleicht nie mehr laufen können. Geh rüber, solange du noch laufen kannst.«
»Shiva«, sagte er, »hör auf mit dem Tanz.«
Das Mädchen lockte die Kobra, die ihren Nackenschild schwellen ließ – aber nicht, um Buddha Schatten zu spenden.
»Mit welchen Drogen hast du sie vollgepumpt?« fragte ich ihn.
»Mit der besten Droge, die es gibt, Harder. Solltest du auch mal probieren.«
»Wie heißt sie denn?«
»Liebe.«
Ich drückte den Lauf der Walther in seinen Rücken. »Die, die ich hier habe, ist auch nicht schlecht, Malzan. Ich könnte mich direkt an sie gewöhnen.«
»Daran zweifle ich nicht.«
»Geh zu ihr, Mike – und bete, daß du die richtige Schlange in den Korb getan hast.«
Er brauchte lange, aber schließlich stand er etwas seitlich von dem Mädchen, und das Kerzenlicht züngelte über seinem goldenen Haar.
Jetzt hatte ich sie alle drei vor dem Lauf der Knarre, das Prinzenpärchen und ihren Hausgott. Und dazu noch schätzungsweise einen Zentner Blattgold in Buddhagestalt.
Shiva bewegte sich immer noch im Flötenrhythmus, und allmählich folgte die Kobra ihren Bewegungen.
»Hör zu, Malzan«, sagte ich mit meiner neuen Reibeisenstimme, »jetzt hab ich das Wort. Jetzt erzähle ich mal die Geschichte, wie ich sie sehe – und du füllst die Lücken auf.«
Er hatte die Hände ausgebreitet, aber es war eine parodistische Schauspielergeste. Nur sein Gesicht, auf dem der Schweiß glänzte, verriet seine Anspannung. Das Mädchen bewegte sich wie in Trance. Es war ein Raum, der wie geschaffen war für Trancezustände, und ich mußte den Griff der Walther umspannen, bis meine Knöchel weiß hervortraten, um nicht auch der Trance zu verfallen.
»Dann erzähl mal, Harder«, sagte er.
»Eines Tages trifft ein hoch verschuldeter Barbesitzer in Hannover eine kühle Blondine, wie er sie immer haben wollte – nur daß die Lady die geschiedene Frau eines in krumme Geschäfte verwickelten Politikers und Ex-Baulöwen ist. Ein Traumpaar, ihr beide – der Zocker und die Spielerin. Heiße Jeux, heiße Nächte, heiße Träume. Vom großen Geld. Denn knapp bei Kasse war die Lady auch.«
Malzan machte, was ich bei Jade gemacht hatte – er rückte zentimeterweise aus der Schußlinie. Nur daß ich es merkte.
»Rühr dich nicht von der Stelle, Malzan. Meine Geschichte dauert nicht lange, aber ich hoffe, sie ist lehrreich genug, damit du etwas zum Nachdenken hast, in den langen Nächten, wenn du dir einen neuen Coup ausdenkst.«
»Erzähl nur weiter. Ich hab deine Serien immer gern gelesen. Und in diese hast du ja wirklich eine Menge Recherchen gesteckt.«
Komm zum Ende, dachte ich. Die lullen dich ein. Weihrauch, Kerzen und Schlangentanz – kürzen, Harder, brüllte der Alte.
Also hast du es erst mal bei ihrem geschiedenen Mann versucht, easy money, hast du wahrscheinlich gedacht, so ein Filzokrat kippt doch aus den Pantoffeln, wenn man ihm mit Enthüllungen droht. Aber der alte Scheunemann hat dich aus Hannover weggepustet, soviel Kraft hat der olle Suffkopp noch, gegen so einen alten
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