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Das Schlangenmaul

Titel: Das Schlangenmaul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Fauser
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von der Wirklichkeit verschont.
    »Malzan hat Sie angerufen, nicht Miriam.«
    »Michael?«
    »Ich kannte nur einen Malzan.«
    »Sie haben ihn kennengelernt?«
    »Das wissen Sie doch längst. So, wie Sie die ganze Zeit gewußt haben, wo Miriam abgeblieben war.«
    »Geben Sie mir eine Zigarette, Harder.«
    Ich gab ihr eine. Dann sagte ich: »Wissen Sie, wer mir den Schlüssel zu der ganzen Geschichte gegeben hat? Die alte Tante Cäcilie in Kladow.«
    Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. »Dieses abscheuliche Biest. Sie terrorisiert die ganze Familie. Kein Wunder, wenn sie auch mich verleumdet.«
    »Eine Verleumdung würde ich das nicht nennen. Sie hat nur gesagt, Sie hätten Miriam so oft nach Kladow geschickt, damit Sie etwas gegen die Familie in die Hand bekommen. Und das ist Ihnen doch auch gelungen – mit Hilfe von Michael Malzan.«
    Sie drückte ihre Zigarette umständlich aus und hustete, bis sie erschöpft zurücksinken konnte. Das Husten weckte Sascha, der anfing zu winseln. Ein eingespieltes Team.
    »Ich hätte mir ja denken können, daß Sie sich nicht damit begnügen, Miriam zu suchen«, beklagte sie sich dann. »Sie sind nun mal Journalist, Sie machen das wahrscheinlich zwanghaft.«
    »Was? Die Wahrheit rauskriegen?«
    »Ach, die Wahrheit.« Für sie würde sie immer obszön sein. »Das einzige, was zählt, ist doch das Leben, Harder. Sehn Sie mal nach draußen, da fängt wieder ein neuer Tag an, auch für uns. Ich bin ja so glücklich, daß meine Tochter wieder bei mir ist. Ein wunderschöner Tag, und Ihnen verdanke ich ihn.«
    Sie hatte noch die Schlaftabletten im Blut, den träumerischen Sog der Kopfkissen, das Vergessen. Ich stand auf.
    »Ich brauche einen Drink, Sie auch?«
    »Wenn es Ihnen Freude macht, Harder.«
    Ich mixte ihr einen steifen Gin mit Eis und mir einen schwachen Wodka auf einem Eisberg. Dann sagte ich:
    »Bei der Suche nach Miriam bin ich damit bedroht worden, in meinem Appartement zu verbrennen, man hat mir eine Pistole an die Brust gesetzt, mich mit einem Schnappmesser fertigzumachen versucht und wollte mich mit einer Königskobra umbringen. Und Sie sagen, ich hätte das zwanghaft gemacht.«
    »Das hört sich alles schrecklich an, Harder, aber wenn Sie mal darüber geschlafen haben, wird es Ihnen nur vorkommen wie ein böser Traum.«
    »Soll ich Ihnen mal verraten, was mit Miriam passiert ist?«
    »Junge Menschen probieren heute vieles aus, was uns unverständlich erscheint.«
    »Finden Sie? Miriam ist unter Drogen und Hypnose gesetzt worden, eine Art Gehirnwäsche, damit aus ihr Shiva, die Schlangentänzerin, wurde. Und wissen Sie, wozu? Damit sie in einem Erpresserring als Lockvogel auftritt. Glauben Sie, ihr wird das auch nur wie ein böser Traum vorkommen, wenn sie aufwacht?«
    Die Eiswürfel klirrten, als sie trank. Ihr Mund zuckte. Eine winzige Ader klopfte an ihrer Schläfe.
    »Ich bin sicher, daß Sie maßlos übertreiben.«
    Ich zog das Aufnahmegerät aus der Tasche und zeigte ihr die Bänder. »Wissen Sie, was ich hier habe? Eine Berliner Puffmutter, die erzählt, wie Michael Malzan sie dazu gebracht hat, ins Erpressungsgeschäft einzusteigen. Pech, daß dabei ein Mädchen umgekommen ist, das bei ihr gearbeitet hat. Aber vielleicht wird es ihr auch nur vorkommen wie ein böser Traum. Und wissen Sie, was noch auf den Bändern ist?«
    »Ich will es gar nicht wissen«, flüsterte Nora.
    »Das kann ich mir denken. Ich sage es Ihnen aber trotzdem. Ich habe Michael Malzan auf Band, wie er mir seine Pläne schildert. Wenn Sie wissen wollen, was wirklich ein böser Traum ist, dann hören Sie sich das Band mal an. Korruption als Kult, Pavillon der Lüste – kommt Ihnen das bekannt vor? Haben Sie sich das zusammen ausgedacht, hier im Deister in den Vollmondnächten? Das große Berlin-Geschäft sollte es doch werden, nachdem es mit Ihrem Exmann nicht geklappt hatte. Der ganz große Coup des Michael Malzan, der ganz große böse Traum. Haben Sie ihn auch Prinz genannt, Nora?«
    »Gehen Sie«, stieß sie hervor.
    »Noch nicht«, sagte ich. »Die Geschichte ist nämlich noch nicht zu Ende. Wissen Sie, was ich noch auf dem Band habe? Den Tod des Prinzen.«
    Ihre Stimme war so zaghaft wie die Novemberdämmerung. »Den Tod?«
    »Den Tod, den er mir zugedacht hatte. Ein ziemlich grauenhafter Tod, Nora, und Miriam war die ganze Zeit dabei. Aber da war sie noch Shiva. Shiva, die Prinzessin des Prinzen. Er ist von einer Königskobra gebissen worden. Tod durch Ersticken. Das Mädchen, das

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