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Das Schlangenmaul

Titel: Das Schlangenmaul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Fauser
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sie mich auch im Dunkeln treffen können. Und Malzan lag jetzt keuchend am Boden und hielt noch immer seine Hand, die blau angelaufen war.
    Inzwischen brannte schon ein ganzer Streifen des Vorhangs.
    »Im Büro ist Serum«, flüsterte Malzan. »Wenn ich es sofort bekomme, hab ich noch eine Chance.«
    »Die hast du, wenn ich weg bin«, sagte ich. »Miriam, laß die Kanone fallen und zieh dich warm an. Es ist Zeit, nach Hause zu fahren.«
    »Keiner kommt hier raus«, zischte Albin. »Indra erwischt euch alle.«
    »Schnauze, Giftzwerg. Euer Spiel ist aus. Es war von Anfang an nur ein lausiger Bluff.«
    Das Mädchen sah ohne Maske aus wie eine Primanerin mit zu viel Schule um die Ohren – müdes, zartes Gesicht, Ringe unter den Augen, schöner, ernster Mund. Sie sah um Jahre älter aus als auf dem Foto in meiner Tasche – aber sie war es. Plötzlich ließ sie die Walther fallen, und Tränen schossen aus ihren Augen, und sie sagte: »Wo ist meine Mutter?«
    »Zu der fahren wir jetzt«, sagte ich. »Aber vorher will ich noch den Namen, Malzan. Den Namen für das Serum.«
    Inzwischen hatte das Gift schon sein Gesicht erreicht, Schweißbäche, dunkelrote Haut.
    »Wie lange dauert es, bis er stirbt, Albin?«
    »Höchstens eine Viertelstunde, Killer.«
    »Du vergißt, daß er die Schlange in den Korb getan hat. Den Namen, Mike, den Namen!«
    Aber Albin hatte zu hoch geschätzt. Plötzlich bäumte Malzan sich auf, als hätte ihn eine unsichtbare Hand nach hinten gerissen, schnappte nach Luft, röchelte, kippte um und lag auf dem Rücken und ruderte mit allen vieren in der Luft, in der der Qualm schon den Weihrauchduft erstickte.
    Und dann glitt ein ungeheurer schillernder Schatten durch das Zimmer und richtete sich auf und schlug auf das Menschenbaby ein, und Albin holte aus und ließ das Messer blitzen, und ich packte Miriam Schäfer-Scheunemann und hielt sie fest, und das Messer fuhr in den Kopf der Kobra und nagelte sie mit dem geöffneten Maul auf dem Teppich fest. Und ich leerte die Walther in ihren zuckenden Leib.
    Das Feuer loderte schon.
    »Verschwinde«, sagte ich. Ich hörte meine Stimme nicht, aber Albin hörte sie anscheinend, denn er sah mich mit einem grauenhaften Ausdruck in seinem bleichen Gesicht an und verschwand.
    Ich bückte mich. Malzan atmete noch.
    »Den Namen«, flüsterte ich.
    »Nora«, flüsterte er. Dann ging ein Zucken durch seinen Körper, und er war still. Ich hatte ihm kein Glück gebracht. Ich sah den Ring an seinem Finger und streifte ihn ab und steckte ihn ein, und dann hörte ich draußen einen Motor aufjaulen und Kies spritzen und den Wagen wenden und davonjagen.
    »Komm, Miriam«, sagte ich, wischte die Pistole an ihrem Kleid ab und ließ sie neben Malzan fallen, »hier gibt es nichts, was wir noch tun könnten.«
    Als ich ihren Arm nahm, war sie fast so steif wie ein Toter, und ihre Augen starrten in das Feuer so unbeweglich wie die einer Schlange.
     
    Draußen war es schneidend kalt.
    Auf dem Schotterweg näherte sich aus Richtung Lübars ein Wagen, aber es war nicht der, auf den ich wartete, obwohl es auch ein Mercedes war. Er stoppte mit Aplomb, und ich sah, daß Malzans Fahrer Charlie am Steuer saß, und dann sah ich, wen er diesmal gefahren hatte.
    Frau Dr. Gesine Frenkel-Ahimsa hatte mir noch gefehlt.
    Sie machte die Beifahrertür auf, wuchtete sich aus dem Wagen und entdeckte zunächst, daß das Tor offenstand und ein ungebetener Gast ihr den Weg versperrte.
    »Was ist denn hier los? Kenn ich Sie nicht?«
    Sie trug einen Pelzmantel über ihrem bodenlangen Sari und hatte ein rotes Tuch über ihre blauen Haare gebunden und sah auf der Schotterstraße an der Laubenkolonie in Lübars aus wie eine Fehlbesetzung – aber das waren wir ja vielleicht alle.
    »Da drinnen brennt es, Frau Fenkel«, sagte ich und zog an meiner Zigarette. »Am besten, Sie rufen die Feuerwehr. Und kümmern Sie sich um den Mann im Büro, der ist noch am Leben.«
    Jetzt sah man auch vom Hof aus, daß es brannte. Qualm quoll aus der offenen Tür, und man hörte den Sog der Flammen.
    Charlie hatte schon genug gesehen. Er langte über den Sitz, machte die Tür zu, startete und bog gleich nach links ab, an der Kolonie vorbei, wo vor den Hütten und Häuschen die ersten Leute auftauchten, dunkle Gestalten, die vorsichtig zwischen ihren Hasenställen und Gartenzwergen hervorspähten.
    Die Frenkel-Ahimsa drängte sich an mir vorbei, und dann sah sie ihre Schülerin. Ich hatte einen alten Trenchcoat für Miriam

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