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Das Schlangenschwert

Das Schlangenschwert

Titel: Das Schlangenschwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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mich an den Trickfilm »Die Bastion des Imperiums« und dessen Helden: den mutigen Wolodja Ichin, der zwischen den Sternen auf einem Zauberpferd ritt, und den weisen Professor Gewa Edikjan, der auf einer Bastion lebte und die ganze Zeit über geniale Ideen hatte. Überall verteidigten sie das Imperium und besiegten alle Feinde. Das zeigt, dass auch dieser Trickfilm auf Inej produziert worden war. Er wirkte, als würde er das Imperium in den Himmel heben, in Wirklichkeit wurden alle kleinen Kinder gegen das Imperium aufgehetzt. Ich hatte mir diesen Trickfilm auch angesehen! Aber nur ganz selten, weil er für sehr kleine Kinder war. Wenn ich mehr geschaut hätte, hätte sich auch in meinem Kopf das Programm festgesetzt...
    Vielleicht ist es auch in meinem Kopf und hat nur wegen des alten Neuroshunts nicht funktioniert? Und wenn es aktiviert würde – finge ich dann sofort an, das Imperium, den Avalon und Stasj zu hassen? Und auch die lustigen Strichmännchen aus dem Zeichentrickfilm?
    »Warum sagst du nichts?«, wollte Sascha wissen.
    »Ich denke nach«, erwiderte ich. »Könnte man die Feinde denn nicht gefangen nehmen?«
    »Das geht nicht! Sie fliehen immer aus der Gefangenschaft«, erläuterte der Junge. »Spielst du mit mir?«
    »Ich bin schon groß«, sagte ich. »Ich spiele nicht mehr mit Autos.«
    Sascha diskutierte nicht. Für ihn war ich wirklich groß.
    »Tikkirej!«, rief mich seine Mutter. »Komm rein!«
    »Ich komme!«, meldete ich mich und erbebte. Sie hatte mich fast wie meine Mutter gerufen! »Sofort...«
    Lion saß schon im Bademantel auf dem Sofa und seine Mutter näherte sich ihm gut gelaunt mit einer Haarschneidemaschine. Lion hatte bestimmt gewisse Vorahnungen, denn er forderte nachdrücklich: »Aber nicht wie das letzte Mal! Mama, nicht so kurz!«
    »Schon gut!«, versprach seine Mutter beruhigend. »Nur dass dir die Haare den Mund nicht verdecken, sonst erstickst du noch daran.«
    »Aber Mama!«, jammerte Lion. »Bis hier, nicht weiter!«
    Missis Anabell zwinkerte mir zu wie eine Verschwörerin.
    Lion war auch wirklich ziemlich zugewachsen.
    »Tikkirej, geh dich waschen, danach schneide ich auch dir die Haare. Ich habe dir ein frisches Handtuch hingehängt, das große grüne, du wirst es finden. Außerdem habe ich saubere Kleidung für dich bereitgelegt, T-Shirt und Slips sind neu, Hose und Hemd von Lion, aber gewaschen und gebügelt. Wäschst du dir deine Haare selbst oder brauchst du Hilfe?«
    »Mama!«, heulte Lion auf. »Tikkirej ist schon groß! Und ich auch!«
    »Für eine Mutter seid ihr immer klein«, sagte Missis Anabell vorwurfsvoll. »Also, halt den Kopf still und mach die Augen zu.«
    Die Maschine in ihrer Hand begann triumphierend zu summen.
    Ich ging schnell ins Bad, damit sich Lion nicht noch einmal so aufregen musste. Ich drängte sein Schwesterchen, die am Waschbecken stand und ihre Hände unter einen Strahl kalten Wassers hielt, hinaus und schloss mich ein. Ich ließ Wasser in die Wanne und gab Schaumbad dazu.
    Dann lehnte ich mich mit der Stirn an die gekachelte Wand und schloss die Augen. Das Wasser rauschte, hinter der Tür summte die Maschine. Lion beschwerte sich über die kurze Frisur, seine Schwester quengelte.
    Und ich erinnerte mich daran, wie ich Lions Eltern kennen gelernt hatte. Sie wussten, dass ich eine Waise war. Und dass ich kein Geld hatte. Und überhaupt... dass ich hier völlig allein war. Aber sie stürzten sich nicht auf mich, um mich zu umarmen, zu küssen, zu baden, die Haare zu schneiden und mir Kleidung bereitzulegen.
    Lions Mama hatte sich verändert. Sie war unwirklich. Vielleicht war sie jetzt sogar lieber und besorgter, aber sie hatte sich nicht von selbst geändert.
    Sie war dazu gemacht worden.

Kapitel 4
    Lion fiel anfangs gar nichts auf. Er freute sich einfach nur: über Mamas Pastete, dass sich seine Schwester nach ihm gesehnt hatte, dass alle Verwandten lebten und gesund waren. Er schaute mich schuldbewusst und gleichzeitig triumphierend an. – Na also, siehst du! Es ist gar nichts Schlimmes passiert.
    Missis Anabell sprach erst gar nicht über das Imperium, und als Lion versuchte, das Gespräch auf den gefangenen Phagen, den Attentäter, zu bringen, winkte sie nur überdrüssig ab.
    Abends kam dann Mister Edgar.
    »Papa!« Schluchzend lief Lion zur Tür. Ich wollte mich abwenden, schaute jedoch zu. Im Hals spürte ich ein Kratzen und Stechen.
    Mister Edgar sah aus wie ein echter Nachfahre der Bewohner von Raumstationen, egal, was er von

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