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Das Schlangenschwert

Das Schlangenschwert

Titel: Das Schlangenschwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Platz vor dem Sultanspalast ist im Stadtzentrum. Ringsherum werden Wachen stehen. Und dazu noch die Menschenmasse. Und in der Menge sind alle Zombies. Sie werden sich in deine Peitsche werfen, um für Inej zu sterben.«
    »Und wenn diese – Herrscherin bei der Urteilsverkündung anwesend sein wird? Man könnte sie als Geisel nehmen...«
    »Sie kann nicht getötet werden«, wandte Lion ruhig ein. »Das weiß ich genau. Sie ist überall und unsterblich.«
    »Wer ist sie denn, etwa Gott? Das ist doch alles Propaganda!«
    »Vielleicht ist es Propaganda, aber das wird nicht funktionieren«, erwiderte Lion ruhig. »Ich erinnere mich an einen derartigen Vorfall... Also, im Traum... Die Soldaten des Imperiums nahmen die Herrscherin gefangen, um Inej zu besiegen. Sie aber lachte ihnen ins Gesicht und befahl, auf ihr Raumschiff zu schießen... Kurz gesagt, das Raumschiff mit ihr und den Soldaten des Imperiums explodierte. Am nächsten Tag trat die Herrscherin im Fernsehen auf und verkündete, dass alles in Ordnung sei und auch in Zukunft so verfahren werden würde.«
    »Aber das kann doch nicht sein!«, stieß ich hervor.
    Lion holte nur tief Luft.
    So kamen wir zu keinem Entschluss. Und schliefen ein.
    Am Morgen ging es wirklich nach Agrabad. Mister Edgars Auto war eine verschlissene, stromlinienförmige, geglättete »Plastikmühle«. Diese Autos wurden gar nicht richtig repariert; wenn etwas kaputtging, wurden sofort ganze Blocks ausgewechselt: der Motorblock, der Navigationsblock, der Block mit den Vordersitzen, der Räderblock...
    »Ein sehr sparsames Auto«, erklärte uns Mister Edgar und setzte sich auf den Fahrersitz. »Habt ihr Platz? Ist es euch nicht zu eng?«
    »Ist okay«, sagte Lion. Im Auto war es sehr ungemütlich, sogar wir stießen mit den Knien an die Vordersitze, aber eine entsprechende Bemerkung war sinnlos. Solche Autos wurden auf Inej produziert. Und das bedeutete automatisch, dass sie gut waren.
    »Lern fleißig!«, gab Missis Anabell Lion mit auf den Weg. »Du hast viel verpasst, du musst aufholen. Fang keine Schlägerei an, wenn es nicht unbedingt notwendig ist. Halte dich an Tikkirej, er ist ein starker Junge und kann dich verteidigen. Achtet eure Freundschaft, helft euch und steht füreinander ein! Das sind die heiligsten Werte, die es gibt. Wasch dich auf alle Fälle zweimal am Tag, du weißt ja, dass auf dem Planeten aller mögliche Schmutz herumfliegt.«
    Lion nickte und wurde knallrot. Er schämte sich für seine Mutter, aber es war nicht zu ändern.
    »Bring mir einen Strahlenwerfer mit«, wurde Lion von seinem Bruder gebeten.
    Bei Sascha explodierte Lion dann endlich. Er gab ihm einen Klaps auf den Hinterkopf und fauchte: »Spiel mit Bauklötzen!«
    Unerwartet bekam er Unterstützung von seiner Mutter: »Sascha, sag keine Dummheiten! Lion ist doch noch kein Soldat, er fährt in die Schule, um zu lernen. Er wird dir ein Buch mitbringen. Lion, bring ihm ein Buch mit, okay?«
    »Über Spione«, konkretisierte Sascha wichtigtuerisch. Und erst danach erinnerte er sich an den Klaps und begann zu wimmern.
    Nur Lions Schwester schien wirklich darunter zu leiden, dass der gerade zurückgekehrte Bruder sie schon wieder verließ. Sie stand da, zog die Stirn in Falten und bohrte mit der Fußspitze Löcher in den Sand des Weges. Deshalb schaute ich lieber nur auf Polina. Aber dann fiel mir ein, dass das auch eine vom Inej aufgezwungene Rolle sein könnte: Die Eltern müssen ihre heranwachsenden Kinder fröhlich ins Erwachsenenleben verabschieden, die Jungs darum bitten, eine Waffe oder Bücher über Spione mitgebracht zu bekommen, und die Mädchen einfach traurig sein.
    Aber es sind doch nicht alle so! Semetzki sagte, dass etwa fünfzehn Prozent normal geblieben waren! Wo steckten sie nur?
    »Meine Liebe, wir fahren jetzt!« Edgar lehnte sich leicht aus dem Autofenster, Anabell lächelte breit und küsste ihn schnell und akkurat auf die Wange.
    Lion wandte sich ab.
    Als wir auf den Ausgang des Geländes zufuhren, erinnerte ich mich an den Brief aus dem Ministerium für Migration.
    »Mister Edgar, halten Sie kurz an«, bat ich. »Ich muss einen Brief abholen – wegen der Staatsbürgerschaft.«
    Er schaute unwillig, fuhr aber an den Straßenrand und hielt an.
    »Ich beeile mich«, sagte ich schuldbewusst. »Bin gleich wieder da.« Und ich lief schnell zum Verwaltungsgebäude.
    Anna arbeitete auch heute. Ich grüßte sie, und sie griff, ohne zu fragen, in den kleinen Wandsafe, um den Brief zu

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