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Das Schlangenschwert

Das Schlangenschwert

Titel: Das Schlangenschwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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ärgerlich. »Papa ist sowieso schon spät dran!«
    Wie ich mich über sein Erscheinen freute!
    »Entschuldigen Sie bitte, ich muss los.« Ich sprang auf und drückte den Briefumschlag an mich. »Auf Wiedersehen.«
    »Viel Erfolg, Tikkirej«, erwiderte Anna freundlich. »Denk nicht so viel nach! Alles wird gut!«
    Mit diesen Begleitworten rannten wir zum Auto.
    »Wovon hat sie gesprochen?«, fragte Lion unterwegs. »Mein Vater ist ganz nervös.«
    »Ich erzähl es dir später«, sagte ich kurz. »Mister Edgar, entschuldigen Sie, wir konnten das Schreiben nicht finden.«
    Mister Edgar schüttelte vorwurfsvoll den Kopf. Wir hatten noch nicht die Türen geschlossen, als das Auto schon losfuhr.
    »Na, was ist drin?« Lion griff nach dem Briefumschlag.
    Ich riss das feste Papier auf. Im Innern fand ich ein Schreiben mit schöner Unterschrift, Siegel und eine kleine Plastikkarte. Auf der Suche nach der Hauptaussage fing ich schnell an zu lesen: »›Sehr geehrter... auf Ihren Antrag... entsprechend dem Einwanderungsgesetz‹ ... Hurra!«
    »Genehmigt?«, fragte Lion.
    Eigenartig. Was interessierte mich jetzt noch die Staatsbürgerschaft von Neu-Kuweit? Ich hatte ja bereits die Staatsbürgerschaft des Avalon, eine der prestigeträchtigsten, besser war nur die der Erde oder des Edem. Zumal Neu-Kuweit von Inej erobert war, dessen Staatsbürgerschaft in der Galaxis wenig geschätzt wurde.
    Aber trotzdem war ich zufrieden. Sehr zufrieden. Denn diese Staatsbürgerschaft verdankte ich mir selber. Ihretwegen hatte ich Karijer als Modul verlassen. Ich hatte riskiert und gewonnen. Wenn es Inej nicht gäbe, wie glücklich wäre ich jetzt! »Mister Edgar, schauen Sie nur!« Ich zeigte ihm meine Karte. Darauf waren mein Foto, der Name, der Biodetektorchip und ein langer Strichcode.
    »Glückspilz«, äußerte Lions Vater trocken. Er war sauer wegen der Verspätung. »Ich hoffe, Tikkirej, dass du jetzt verantwortungsbewusster und ernsthafter wirst. Einverstanden?«
    »Einverstanden«, erwiderte ich. Und dachte: Soll er sich ruhig freuen.
    Er hatte ja keine Schuld daran, dass sein Gehirn eingefroren war.
    »Das Leben besteht nicht nur aus Freude und Abenteuern«, fuhr Mister Edgar fort. »Das muss man rechtzeitig erkennen. Jetzt vergehen die Tage für dich schnell, aber die Jahre ziehen sich. Du wirst erwachsen und alles kehrt sich um. Die Tage ziehen sich ewig und endlos, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang ist es eine ganze Ewigkeit. Und die Nacht ist wie eine doppelte Ewigkeit. Dafür fliegen die Jahre nur so an dir vorbei, von Geburtstag zu Geburtstag, von Silvester bis Silvester. Und die ganze Zeit über fehlt etwas, eine Minute, Stunde, ein Tag, ewige Zeitnot...«
    Mir wurde unheimlich zumute.
    Mir wurde wirklich unheimlich zumute.
    Jetzt war Lions Vater ganz anders. Nicht wie vor dem Überfall des Inej und nicht wie ein Fremder, eine Person aus einer Fernsehserie. Als ob ihn etwas quälen würde, etwas aus ihm herausdrängen wollte, das aber nicht schaffte...
    »Papa«, sagte Lion leise.
    Mister Edgar schüttelte sich und wandte seinen Blick einen Augenblick lang von der Straße. Dann sagte er mit veränderter Stimme: »Deshalb, Tikkirej, sollte man sich zusammenreißen! Und dich, mein Junge, betrifft das genauso!«
    Das war alles. Und er wurde wieder zum Gehirnamputierten.
    »Papa, hast du manchmal ein Déjà-vu?«, fragte Lion. »Als ob alles schon einmal geschehen wäre? Als ob wir hier bereits früher gefahren wären, uns unterhalten hätten, als ob wir unser Leben schon gelebt hätten?«
    »Natürlich«, erwiderte er besinnlich. »Das ist bei allen so. Das ist völlig normal, davor braucht man keine Angst zu haben. Du kannst mit dem Schulpsychologen darüber sprechen, er wird es dir erklären.«
    Lion hörte auf zu fragen.
    Bald darauf, nachdem wir ein paar Mal abgebogen waren, näherten wir uns einem langen niedrigen Gebäude, das von einem Park umgeben war. Das Gebäude war vollständig mit hellen, verschiedenfarbigen Klinkern verkleidet, über das Dach erhoben sich Türmchen und Kuppeln. Trotzdem strömte es wie jedes beliebige Schulhaus Langeweile aus.
    Mister Edgar teilte diese Meinung übrigens nicht.
    »Schön, nicht wahr?«, meinte er. »Wie in dem Märchen, das ich dir früher vorgelesen hatte. Erinnerst du dich, Lion?«
    »Ja«, erwiderte Lion und ergänzte skeptisch: »Es ist aber überhaupt nicht ähnlich!«
    Sein Vater parkte am Eingang, indem er sein Auto mit viel Mühe zwischen zwei Schulbussen abstellte. Wir

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