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Das Schlangenschwert

Das Schlangenschwert

Titel: Das Schlangenschwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Direktorin von meiner Staatsbürgerschaft? Der Briefumschlag lag im Safe des Motels, von ihm wussten lediglich Edgar und Lion und Anna... Oh!
    Ich hob den Kopf und schaute auf die Direktorin Neige.
    »Hast du eine Frage, Tikkirej?«, fragte sie zärtlich. »Frag nur, hab keine Angst.«
    »Entschuldigen Sie, es geht nicht um das College. Haben Sie zufällig eine Tochter, die in dem Motel arbeitet?«, fragte ich.
    »Tikkirej«, stöhnte Edgar verzweifelt. »Was erlaubst du...«
    »Das geht in Ordnung.« Die Direktorin Neige lächelte. »Tikkirej hat völlig Recht. Er meint Anna, nicht wahr?«
    Ich nickte.
    »Sie sind sich sehr ähnlich.«
    »Du hast eine erstaunliche Beobachtungsgabe«, meinte die Direktorin. »Ja, so ist es. Sie war es auch, die Mister Edgar vorschlug, euch in meinem College unterzubringen. Es gilt als das beste auf dem Planeten. Du wirst mich nicht verraten, Tikkirej?«
    Zuerst zuckte ich mit den Schultern, dann nickte ich.
    »Sie rief mich vor cirka zwanzig Minuten an«, sagte die Direktorin mit gesenkter Stimme, als ob ihre Tochter sie hören könnte. »Du schienst etwas bedrückt zu sein und wolltest eigentlich nirgendwohin... Also bat sie darum, dir besonders viel Aufmerksamkeit zu widmen. Das ist eigentlich überflüssig, denn es gehört zu meiner Arbeit, aufmerksam zu sein. Aber verplappere dich nicht, dass du von diesem Anruf weißt, okay?«
    Miss Neige lächelte. Mir war es einerseits unangenehm – wozu nur diese Zärtlichkeiten –, anderseits aber durchaus angenehm.
    Sogar auf Neu-Kuweit gab es nette Leute, die sich um mich kümmerten. Nicht, weil ihnen das Gehirn amputiert wurde und sie gezwungen wurden, sich nett zu verhalten, sondern einfach so.
    »Ich werde nichts sagen«, versprach ich.
    »Das ist hervorragend.« Die Direktorin wandte sich Edgar zu: »Ich sehe, dass Sie in Eile sind. Fahren Sie nur. Es ist alles in Ordnung.«
    Mister Edgar umarmte Lion so schnell, als würde er sich verbrennen, klopfte mir auf die Schulter und verließ uns.
    »Und wir sehen uns jetzt das College an«, teile Miss Neige mit. »Der Unterricht beginnt bei uns gleich am Morgen, aber ich gebe euch heute einen Tag frei. Schaut euch im College um, macht einen Spaziergang durch die Stadt... ihr wart doch noch nicht in Agrabad, ihr Weltreisenden?«
    »Nein«, erwiderte ich. Wieder kamen wir auf gefährliche Themen.
    »Und was hat euch in den Wald verschlagen?«, fragte die Direktorin, wobei sie uns um die Schultern fasste und abwechselnd mir und Lion in die Augen schaute. »Ich verstehe schon – Abenteuer, freies Leben, aber trotzdem?«
    »Wir hatten Angst«, begann ich. »Alle lagen da wie versteinert...«
    Miss Neige schüttelte den Kopf. »Phantasten... ist schon gut, Kinder, was war, ist gewesen. Wir werden die Sache ruhen lassen, einverstanden?«
    Hirnamputiert. Sie glaubt uns also nicht, das heißt, sie ist hirnamputiert.
    »Gut, seien wir ehrlich«, gab ich mein Einverständnis. »Wir wollten einfach ein paar Tage wie die Urmenschen leben, im Wald. Dann haben wir uns verlaufen.«
    »Wir unterrichten hier im Sportunterricht Orientierung im Gelände«, beruhigte uns die Direktorin. »Und ihr werdet richtige Exkursionen machen. Aber jetzt zeige ich euch den Bereich Bombay. Dort wohnen die Jugendlichen im Alter von zwölf bis vierzehn Jahren.«

Kapitel 5
    Indien schien ein interessantes Land. Im Bereich Bombay waren alle Wände mit altertümlichen indischen Malereien bedeckt, grell und geheimnisvoll. Manche der abgebildeten Menschen hatten eine blaue Hautfarbe, manche vier oder sechs Arme. Dazu waren wunderliche Tiere dargestellt – Elefanten, die es nur auf der Erde gibt. Ich erinnerte mich dunkel daran, dass Elefanten fliegen können. Das hatte ich in einem Zeichentrickfilm für Kinder gesehen. Ob das aber wirklich so war? Es war mir peinlich, danach zu fragen!
    Außerdem gab es viele Wintergärten mit üppiger tropischer Vegetation und lebenden Vögeln. Das Sportareal befand sich unter der Erde, dorthin begaben wir uns in einem geräumigen Fahrstuhl. Hier besichtigten wir mehrere Schwimmbäder, ein großes Feld für Ballspiele und einen Raum für Leichtathletik. Im Schwimmbad trainierten gerade die Jungen, auf dem Feld spielten die Mädchen Volleyball.
    Wir wurden angeschaut, aber niemand näherte sich uns. Bestimmt deshalb, weil wir mit der Direktorin zusammen kamen.
    »Das College Pelach hat sich zum Ziel gesetzt, die zukünftigen Mitarbeiter der Regierung, die Manager von Firmen und Unternehmen

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