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Das Schlangenschwert

Das Schlangenschwert

Titel: Das Schlangenschwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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stiegen aus und sahen uns um.
    Nein, irgendwie hatte Lions Vater Recht. Ein schönes Gebäude. Meine Schule auf Karijer war wie alle Verwaltungsgebäude ein ganz gewöhnlicher Standardplattenbau. Auch die Schule auf Avalon war bescheidener. Außerdem gab es hier sehr viele Blumen, die in runden Gefäßen um die Springbrunnen herum wuchsen, und Fußgängerwege, die mit feinem Kies bestreut waren. Nicht wie gewöhnlich grau, sondern golden und beige. Lion nahm die Tasche mit seinen Sachen, ich hatte kein Gepäck. Ich hatte zwar gestern Kleider zum Wechseln bekommen, aber niemand hatte mir etwas zum Mitnehmen angeboten. Bei den Gehirnamputierten gibt es wahrscheinlich Aussetzer. Sie wissen, wie man sich richtig verhält, aber Kleinigkeiten werden schnell vergessen.
    Am Eingang saß ein Wachmann in einem Glashäuschen, der uns weder ansprach noch anhielt. Wir gingen auf einer breiten Treppe in den zweiten Stock und kamen zu einer altertümlichen, nicht automatischen Flügeltür.
    Lions Vater schaute nervös auf die Uhr, öffnete die Tür, schaute hinein und fragte unterwürfig: »Herr Sekretär?«
    Ihm wurde geantwortet, er schob uns durch die Tür und trat nach uns ein.
    Wir befanden uns in einem Empfangszimmer. Ein junger, pickliger Bursche, nicht älter als sechzehn Jahre, saß vor einem Display und schrieb. Uns warf er einen kurzen Blick zu und vertiefte sich wieder in den Bildschirm. Ich schaute genauer hin und bemerkte, dass er eine lustige Tastatur benutzte: eine holographische, die schwach in der Luft über dem Schreibtisch flimmerte. Aus unserem Blickwinkel war die Tastatur fast nicht zu erkennen. Es sah aus, als ob der junge Mann in der Luft mit den Fingern wackeln würde, gar nicht wie Arbeit.
    »Tikkirej...«, flüsterte Mister Edgar entnervt und ich folgte ihm. Der junge Mann arbeitete weiter. Das war sicherlich ein älterer Schüler, der sich etwas dazuverdiente. Warum arbeitete er nicht über den Neuroshunt? Diese holographischen Tastaturen gibt es normalerweise an öffentlichen Stellen, um nicht onlinegehen zu müssen.
    Die Tür zum Empfangszimmer des Direktors war ebenfalls aus Holz und machte Eindruck. Mister Edgar klopfte, wartete auf Antwort und wir gingen hinein.
    »Frau Direktorin?«, fragte Lions Vater mit derselben unterwürfigen Stimme.
    »Herein, herein!« Die Direktorin erhob sich hinter dem Schreibtisch. »Das ist sicher Ihr Sohn? Wie er seinem Vater ähnelt... Guten Tag, Lion!«
    »Guten Tag!«, sagte Lion ziemlich bedrückt. Er machte sich sicherlich Gedanken wegen seines Vaters.
    »Und du bist Tikkirej? Guten Tag, Tikkirej. Machen wir uns bekannt! Ich heiße Alla Neige.«
    Die Direktorin war eine kleine, zierliche Frau mittleren Alters. Mit einem sympathischen, guten Gesicht und lächelnden Augen, sodass es die ganze Zeit schien, als ob sie gleich loslachen würde. Sie verstand es ausgezeichnet, gleichzeitig mit uns allen zu sprechen.
    »Machen Sie sich keine Sorgen, ich habe den Jungs bereits ein Zimmer besorgt, im besten Gebäude.« – Das galt Edgar.
    »Könntest du einen Vortrag halten über das Leben auf einer Raumstation? Niemand von unseren Zöglingen hat so lange im offenen All gelebt.« – Das betraf Lion.
    »Ich habe erfahren, dass du bereits die richtige Staatsbürgerschaft von Neu-Kuweit besitzt. Wir bemühen uns, die Zöglinge mit Staatsbürgerschaft als Sprecher der Lerngruppen einzusetzen. Bist du damit einverstanden?« – Das war für mich.
    Einige Minuten lang machten wir Smalltalk. Der traurige, picklige Sekretär kam mit einem Tablett voller Teegeschirr und Pralinen sowie einer Tasse Kaffee für Mister Edgar herein. Edgar schaute betrübt auf die Uhr, setzte sich aber trotzdem und trank den Kaffee. Bei dieser Gelegenheit bekamen wir einen riesigen Prospekt »Das College Pelach«. Es enthielt eine Masse großformatiger Farbfotos: wie man hier lernt, lebt und Sport treibt.
    Außerdem wurde mitgeteilt, dass der Gründer des Colleges der große indische Pädagoge Sri Bharama war, der gegen Ende seines Lebens von Ganges-2 nach Neu-Kuweit umgesiedelt war. Deshalb war die Inneneinrichtung hier im nationalen indischen Kolorit gehalten (Indien ist ein uraltes Land auf der Erde). Die vier Teile des Colleges, jeweils für verschiedene Altersklassen, wurden nach bedeutenden indischen Städten benannt: Delhi, Kalkutta, Bombay und Peking.
    Ich blätterte durch den Prospekt, als ob er mich interessieren würde, aber in Wirklichkeit beunruhigte mich ein Gedanke. Woher weiß die

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