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Das Schlangenschwert

Das Schlangenschwert

Titel: Das Schlangenschwert
Autoren: Sergej Lukianenko
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war es natürlich langweilig auf dem Dach, zumal er den Verbrecher nicht einmal gesehen hatte.
    »Ich werde schlafen und meinen Bauch sonnen«, entschied er, »wenn etwas Interessantes passiert, sag Bescheid.«
    In diesem Augenblick wurde die Tür des Cottage geöffnet, der ungebetene Gast ging hinaus und bewegte sich schnell zu einer dichten Hecke, die längs der Hauptallee angepflanzt war.
    »Jetzt ist er hinausgegangen«, sagte ich stolz.
    Lion drehte sich eilig um und reckte den Hals. »Wo?«
    »Na da, er versteckt sich in den Sträuchern!« Ich zeigte mit der Hand dorthin.
    »Aber wo denn, ich sehe nichts!«
    »Na da!«, heulte ich auf. »Bist du blind?«
    Der Verbrecher hatte sich bereits geschickt durch die Hecke gezwängt und hinter den Zweigen versteckt.
    »Ich glaube, du hast einen Sonnenstich«, meinte Lion, »ehrlich.«
    »Was sagst du da, hast du nichts gesehen?«
    »Nö. Niemanden.«
    Wir schauten einander durchdringend an.
    Lion zweifelnd und beleidigt und ich... ich sicherlich auch zweifelnd.
    »Ehrenwort, er kam aus dem Cottage heraus!«, rief ich. »Du hast dich nur zu spät umgedreht, als er sich schon in die Hecke schlug.«
    »Ich habe doch diese Hecke gesehen, dort war niemand.«
    »Du glaubst mir nicht?«, fragte ich.
    Lion zögerte. Lustlos sagte er: »Ich glaube dir. Aber ich habe eine normale Sehkraft. Ich hätte es auch gesehen. Vielleicht war das ein Dshedai?«
    »Wer?«
    »Na, ein galaktischer Ritter, ein Dshedai. Warst du nie im Kino?«
    »Ah...«, ich erinnerte mich, »das sind die, die mit Schwertern gekämpft haben und sich unsichtbar machen konnten? Aber das ist doch ein Märchen.«
    Lion wedelte mit den Händen: »Nicht doch, das ist kein Märchen! Es gibt solche Spinner, sie leben auf dem Avalon. Sie nennen sich galaktische Ritter, fliegen durchs ganze Imperium und kämpfen für die Gerechtigkeit.«
    »Und warum sind sie dann Schwachköpfe? Kannst du mir das bitte erklären?«
    »Na deshalb, weil niemand sie braucht. Das ist so eine Art Sekte, verstehst du? In Wirklichkeit gibt es die Flotte des Imperiums, die Polizei, den Hygienedienst und noch vieles mehr. Sie kümmern sich um die Aufrechterhaltung der Ordnung. Aber die Dshedais denken, dass es unbedingt solche Ritter geben muss, die nicht für den Dienst, sondern für die Idee arbeiten.«
    »Und das sind Dshedais?«
    »Na ja, damit macht man sich über sie lustig«, gab Lion zu, »so als würde man ›Homo‹ zu einem Menschen sagen, das wäre beleidigend. Oder einen Halfling einen ›Hobbit‹ nennen. Oder zu einer Tzygu ›Bienchen‹ sagen. Oder die, die auf einer Raumstation leben, als ›Kosmik‹ bezeichnen.«
    »Ich habe es doch kapiert! Und wie war das, sie können sich unsichtbar machen und kämpfen mit dem Schwert?«
    »Das mit dem Unsichtbarmachen können sie, glaube ich... aber mit den Schwertern, das weiß ich nicht«, erwiderte Lion ehrlich.
    »Und warum habe ich ihn dann gesehen?«
    »Na ja, für den einen konnte er sich unsichtbar machen, für den anderen nicht. Vielleicht, weil du ein Mutant bist, der Radioaktivität gut verträgt.«
    »Was hat das mit Radioaktivität zu tun?«
    »Woher soll ich das wissen?«
    Ich sah ein, dass es unmöglich war, Lion umzustimmen, wenn er sich etwas ausgedacht hatte. Und wenn wir uns weiter stritten, würden es in eine Schlägerei ausarten.
    »Vielleicht ist es auch so«, äußerte ich. »Und trotzdem hast du ihn nicht gesehen. Du hast ja gelegen und nach oben geschaut. Die Sonne schien dir in die Augen, wenn auch durch die Lider. Deshalb hast du nicht sofort normal sehen können.«
    Lion dachte nach und gab zu, dass das möglich wäre. Aber die Version mit dem Dshedai sollte man nicht verwerfen. Das würde aber heißen, dass mein Freund Stasj selbst ein Verbrecher wäre. Wenn die Dshedais auch Schwachköpfe sind, ehrlichen Menschen fügen sie nie einen Schaden zu.
    Um uns nicht zu zerstreiten, zogen wir uns an, kletterten vom Dach und gingen Kaffee mit Sahne trinken. Auf dem Weg kratzte ich mich am Hinterkopf. Nicht wegen der Allergie, sondern weil ich einen Sonnenbrand abbekommen hatte.

Kapitel 5
    Kapitän Stasj hörte mir sehr aufmerksam zu. Als ich ihm beichtete, dass ich nicht allein, sondern mit meinem neuen Freund auf Wache gewesen war, wurde er überhaupt nicht böse. Sobald er aber hörte, dass Lion den Dieb gar nicht bemerkt hatte, zog er seine Stirn in Falten und vertiefte sich in seine Überlegungen.
    »Vielleicht ist er ein Dshedai?«, fragte ich vorsichtig,
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