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Das Schlangenschwert

Das Schlangenschwert

Titel: Das Schlangenschwert
Autoren: Sergej Lukianenko
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»dieser Kerl...«
    »Was denn für ein Dshedai?«, brummelte Stasj, in Gedanken versunken.
    »Na ja, es gibt so eine Sekte auf Avalon...«
    Kapitän Stasj runzelte die Stirn. »Tikkirej, erstens lohnt es sich nicht, sie Dshedai zu nennen. Dshedais sind Märchenfiguren aus der Mythologie der Anfangsphase der Eroberung des Kosmos. Einige Bezeichnungen jener Zeit haben sich eingebürgert. Aber mit den Dshedais aus dem Märchen haben die Ritter des Avalon, die Phagen, nichts gemein. Tikkirej, bist du sicher, dass du diesen jungen Mann erkannt hast? Ist es genau derjenige, der gleich nach dir eingecheckt hat?«
    »Ja, der. Er hat so ein charakteristisches Gesicht: ein schmales, keilförmiges Gesicht und lange Haare. Und was ist zweitens?«
    »Zweitens...«, Stasj erhob sich aus dem Sessel und gab dabei einige Kommandos ins Terminal ein, »zweitens, mein junger Freund, können sich die Phagen nicht unsichtbar machen. Das ist ein verbreiteter Irrtum. Die Ausbildung eines Phagen beinhaltet die Beherrschung der Technik des Maskierens, der Hypnose, der verbalen und nonverbalen Beeinflussung der Psyche, aber das ist alles sehr weit entfernt von der Unsichtbarkeit. Zumal auf große Entfernung. Möglich, dass eine gewisse Wahrscheinlichkeit bestand, den Phagen nicht zu bemerken, weil du ständig auf ihn geschaut hast, aber nicht bei Lion, der nur schnell und oberflächlich hinsah. Das ist schwer zu erklären, aber glaub mir ruhig.«
    »Und gibt es ein Drittens?«, wollte ich wissen.
    »Ja. Dieser Mensch gehört nicht zu den Rittern Avalons. Und wenn du zu dem Schluss gekommen sein solltest, dass ich ein Verbrecher bin, dann irrst du dich.«
    Beschämt schwieg ich.
    »Ist dir bekannt, Tikkirej, warum im Mittelalter der Erde, in der vorkosmischen Ära, das Rittertum als Erscheinung verschwand?«, fragte mich Stasj und beobachtete dabei das Terminal. Er konnte offensichtlich mehrere Dinge auf einmal tun. Zum Beispiel, den Computer bedienen – und das nicht einmal über den Shunt –, also mit den Händen arbeiten und gleichzeitig etwas erklären.
    »Tja... ich erinnere mich nicht besonders«, bekannte ich.
    »Um es kurz zu machen: Der einzelne Mensch hörte auf, ein ernstzunehmender Kämpfer zu sein. Seine Meisterschaft, die Ausbildung – alles nivellierte sich im Vergleich zu den primitiven Feuerwaffen oder sogar einem guten Armbrustbolzen. Tikkirej, mein Freund, was war denn ein Ritter noch wert, wenn ihn ein dummer und schmutziger Söldner aus dem Hinterhalt erschlagen konnte und ihn nicht einmal an sich herankommen ließ? Eine Ritterschaft kann es nur in einer Situation geben, wo ein geübter Einzelkämpfer wirklich eine starke Kampfkraft verkörpert.«
    »Aber wie ist es denn dann...«
    »Die Geschichte verläuft als Spirale, Tikkirej. Gegenwärtig hat die Entwicklung der Wissenschaften und der Biotechnologien dazu geführt, dass ein einzelner Mensch erneut zu einem entscheidenden Faktor wird. Vielköpfige Mannschaften und teure Raumschiffe sind überflüssig – ein kleines, billiges Raumschiff mit nur einem Piloten ist in der Lage, einen ganzen Planeten zu zerstören. Ein Mensch, der in der benötigten Richtung entwickelt wurde, der bestimmte positive Mutationen erhielt und entsprechend trainiert ist, kann Tausenden von Gegnern widerstehen. Verstehst du?«
    »Ich verstehe.«
    Stasj lächelte.
    »Und so bildete sich eben aus diesem Grund nach der Kolonisierung des Avalon eine Gruppe von Menschen, die sich die Ritter des Avalon oder Phagen nannten. Sie sahen die aufgezeigte Konstellation voraus und beschlossen die Wiedergeburt des Rittertums als nützliche soziale Erscheinung. Sie schufen eine ziemlich komplizierte Struktur, die selbstsüchtige, antisoziale Handlungen einzelner Phagen hemmen kann. Es wurde eine entsprechende Vereinbarung mit dem Herrscherhaus des Imperiums geschlossen, nach der sich die Ritter des Avalon schon mehr als zweihundert Jahre lang bemühen, dem Imperium zu dienen.«
    »Aber es gibt doch die Flotte, die Polizei...«, wandte ich ein, mich an die Worte Lions erinnernd.
    »Ja. Natürlich. Aber der Sinn der Sache besteht gerade darin, dass die Ritter des Avalon weder an öffentliche Belange noch an Bürokratie oder Dienstvorschriften gebunden sind. An nichts, außer an gemeinsame ethische Regeln, deren Ausarbeitung die Neuschaffung des Rittertums ermöglichte. Auf diese Art und Weise verfügen sie über eine entschieden größere Handlungsfreiheit, und es gibt Zeiten, in denen sie ernste Krisen in der
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