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Das Schlangenschwert

Das Schlangenschwert

Titel: Das Schlangenschwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Entwicklung der Menschheit verhindern. Noch Fragen?«
    Ich schwieg. Ich wollte eine Frage stellen, wusste aber nicht, ob ich es wagen konnte. Stasj sah mich durchdringend an, dann streckte er seine Hand aus und klopfte mir auf die Schulter:
    »Na los! Frag!«
    »Warum mögen Sie es nicht, wenn Sie Dshedai genannt werden?«, fragte ich und schaute Stasj in die Augen.
    »Weil wir keine Dshedais sind«, antwortete Stasj einfach. »Wir fuchteln nicht mit leuchtenden Schwertern herum, ducken uns nicht unter Laserstrahlen hindurch und können nicht unsichtbar werden.«
    »Ich verrate niemandem, wer Sie sind«, versprach ich.
    »Das ist nicht wichtig, Tikkirej. Ich wurde auch so entlarvt, leider. Schon vor zwei Tagen. Und selbst wenn ich mich irren sollte und du ein Agent des Gegners bist, habe ich nichts Neues verraten.«
    »Und wer ist Ihr Gegner?«, fragte ich leise.
    »Das werde ich nicht verraten. Das brauchst du nicht zu wissen.«
    Stasj erhob sich und holte aus der Hosentasche einen Haufen Geld:
    »Nimm! Ich gehe davon aus, dass es dir reicht, um auf die Staatsbürgerschaft zu warten.«
    Ich verstand gar nichts mehr. Schaute auf das Geld – es war viel. Da konnte man wirklich in aller Ruhe auf die Entscheidung warten...
    »Habe ich Ihnen etwa so entscheidend geholfen?«, rief ich aus.
    »Tikkirej...«, Stasj holte Luft, »weißt du, worin der Hauptfehler unserer Zivilisation besteht?«
    »Worin?«, murmelte ich, ohne mich schon entschieden zu haben, das Geld anzunehmen.
    Stasj steckte mir das Bündel in die Hosentasche und fuhr fort: »Wir sind eine männlich dominierte Gesellschaft. Das kam dadurch, dass die Frauen den Zeitsprung nicht aushalten. Sie wurden zu ›Gepäckstücken‹ in Anabiosebehältern degradiert. Eine Dummheit, ein Zufall, ein Scherz der Natur – aber unsere Zivilisation entwickelt sich ausschließlich nach dem männlichen Typus. Wir sind alle sehr logisch, ernsthaft, in Maßen aggressiv und abenteuerlustig. Gut und gerecht... im Rahmen unserer Logik. Und das ist ein Fehler. Gerade aus diesem Grund existiert dein unglücklicher Karijer, wo es für die Bürger ein gesetzlich garantiertes Sterberecht gibt. Gerade aus diesem Grund nahm der Taxifahrer einerseits großherzig kein Trinkgeld von dir, wohl wissend, dass ein Jugendlicher, eigentlich noch ein Kind, fast kein Geld und absolut keine Chancen hat, Geld zu verdienen. Andererseits dachte er aber gar nicht daran, ganz auf die Bezahlung zu verzichten. Gerade aus diesem Grund, dummer, kleiner Tikkirej, chauffieren dich Lions Eltern, laden dich zum Grillen ein, aber denken gar nicht daran, für dich eine befristete Vormundschaft einzurichten und dir zu helfen, dich ein halbes Jahr über Wasser zu halten. Wir handeln logisch, Tikkirej.«
    »Aber das ist doch normal!«, rief ich aus. »Kapitän Stasj, es ist wirklich ein schweres Leben bei uns auf Karijer! Und der Taxifahrer arbeitet! Und die Eltern von Lion haben ihre eigenen Probleme und selber drei Kinder! Und aus welchem Grund sollten sie etwas für mich tun?«
    Stasj nickte und lächelte sehr traurig.
    »Richtig, Tikkirej. Genau das will ich ja damit sagen. Die großen Aufstände der Feministinnen, die dunkle Epoche des Matriarchats – all das endete mit dem Beginn der Ära interstellarer Raumflüge. Und das ist gut so, Extreme sind schlecht. Aber wir fielen von einem Extrem ins andere: von einer stabil-emotionalen Zivilisation in eine expansiv-logische Zivilisation. Und deshalb... deshalb, Tikkirej, lass uns annehmen, dass du mir wirklich außerordentlich geholfen hast. Du hast dein Geld ehrlich verdient.«
    Ich versuchte, etwas zu sagen, aber er schob mich sanft zur Tür und sagte: »Viel Erfolg, Tikkirej. Morgen fliege ich ab. Etwas ist bei mir schiefgelaufen, wie schade...«
    »Vielleicht werde ich Ihnen noch bei irgendetwas helfen können...«, maulte ich. Alles war falsch! Nichts war in Ordnung! Warum hatte er mir so viel Geld gegeben? Und warum flog er ab?
    »Nein, Tikkirej. Danke, es ist nicht nötig. Höchstens...« Stasj verzog das Gesicht. »Weißt du, ich würde dir ernsthaft raten, einen anderen Planeten zu suchen. Ich weiß auch nicht, warum. Halt das für die Intuition eines... Dshedai.« Er lächelte: »Viel Glück!«
    Ich ging hinaus und Stasj verschloss hinter mir die Tür.
    Eine Minute lang stand ich auf der Schwelle, schaute auf die Sterne und versuchte zu verstehen, warum alles im Leben schiefläuft. Wenn Stasj Recht hat, dann ist unsere ganze Welt falsch, und zwar nur

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