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Das Schlangenschwert

Das Schlangenschwert

Titel: Das Schlangenschwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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hättest. Glücklicherweise ist das nicht der Fall. Aber wir können dir die Peitsche nicht lassen. Das ist dasselbe, als ob man einem Neugeborenen eine Atombombe in die Hände geben würde.«
    »Ich bin kein Neugeborenes«, erwiderte ich beleidigt.
    »Du hast mich nicht verstanden«, erklärte der hinter der Luftspiegelung versteckte Phag geduldig. »Die Fähigkeit, eine Peitsche zu beherrschen, ist nicht nur eine schwierige Kunst. Die Peitsche reagiert auf alle deine Wünsche, sogar auf die unbewussten. Wenn du ein fremdes Gespräch mithören willst – die Peitsche fängt das Signal auf. Sogar ohne das Hauptteil der Energieversorgung ist sie eine Waffe – eine gefährliche Waffe im Nahkampf. Deine übermütigen Altersgenossen schubsen dich – und die Peitsche wertet die Situation als Gefahr und schneidet ihnen die Hände ab. Verstehst du das?«
    Ich biss mir auf die Lippen und nickte.
    »Tikkirej, bist du damit einverstanden, die Peitsche zurückzugeben?«
    »Wird sie dann sterben?«, fragte ich. Und fühlte dabei, wie sich etwas auf meinem Arm bewegte.
    »Ja. Eine Peitsche schließt sich kein zweites Mal jemandem an. Das ist einer der Verteidigungsmechanismen.«
    Ich umfasste mit der linken Hand meine rechte und streichelte die Schlange durch die Kleidung. Dann wollte ich wissen: »Vielleicht könnte man doch etwas machen? Ich könnte ganz allein leben... irgendwo. Um kein Unheil anzurichten. Es gibt doch solche Leute, die isoliert arbeiten, auf Raumstationen oder so ähnlich...«
    Die Phagen schwiegen. Dann erklärte mir Stasj: »Tikkirej, du hast nur das Recht, diese Waffe zu besitzen, wenn du ein Phag bist. Du kannst nur dann ein Phag werden, wenn du schon vor deiner Geburt genetisch verändert wurdest. Wir stecken also in einer Sackgasse.«
    »Aber man könnte doch eine Ausnahme machen!«
    »Nein«, antwortete Stasj, »die ganze Tragik, mein Junge, besteht darin, dass es einige Regeln gibt, die wir Phagen unbedingt beachten müssen. Wir sind genetisch dazu bestimmt, sie einzuhalten: – Ein Phag darf niemals sein Wort brechen. – Ein Phag darf seine Fähigkeiten niemals zur Erringung
    persönlicher Macht benutzen. – Ein Phag darf niemals die Treue gegenüber der gesetzmäßig
    herrschenden Regierung der Menschheit brechen. – Ein Phag darf einer Zivilperson keine besonders gefährlichen
    Ausrüstungsgegenstände übergeben... Dazu gehört auch eine
    Plasmapeitsche.«
    Beinahe hätte ich angefangen zu lachen. »Aber das ist doch idiotisch! Die Armee hat viel schrecklichere Waffen! Und irgendein Offizier, der wirklich kein Phag ist, kann auf einen Knopf drücken und einen ganzen Planeten zerstören! Was ist im Vergleich dazu ein Schlangenschwert?«
    »Du hast Recht«, stimmte Stasj zu. »Aber wir können diese Regel nicht brechen.«
    Ich blickte auf die am Tisch Sitzenden. Mir schien, dass ich hinter den verschwommenen Abbildern die Gesichtsausdrücke erraten konnte. Ich tat ihnen allen leid. Sie waren alles andere als erfreut, sich mit einem Jungen herumschlagen zu müssen, der durch ihre eigene Schuld eine Waffe in die Hand bekommen hatte.
    »Sie sind doch erwachsene Menschen«, versuchte ich sie zu überzeugen, »intelligent und wohlwollend. Es kann doch nicht sein, dass Sie keinen Ausweg finden! Sie möchten mir doch helfen, dann helfen Sie auch!«
    Stasj’ Gesicht verzog sich zu einer Leidensmiene. Jemand anders murmelte: »Wenn wir nur könnten...«
    »Tikkirej, gefällt es dir auf dem Avalon?«, fragte plötzlich der Mulatte.
    Ich nickte.
    »Es gibt eine Regelung für das Amt der zeitweiligen Bevollmächtigten«, stellte der Mulatte in den Raum.
    »Ein Teil der Information und Ausrüstungsgegenstände wird übertragen. Bedingung sind Kontrolle und Einschränkung der Anwendungsmöglichkeiten«, zitierte Stasj atemlos.
    »In einer Krisensituation«, erwiderte der Mulatte ebenfalls mit einem Zitat aus einem unsichtbaren Dokument. »Genau damit hast du doch schon begonnen, nicht wahr? Als du Tikkirej darum gebeten hattest, dir auf Neu-Kuweit zu helfen.«
    »Danke, Ramon. Das könnte man...«
    Der Phag, der an der Stirnseite des Tisches stand, räusperte sich und ergänzte: »Wenn dergleichen für die Erfüllung einer operativen Aufgabe von besonderer Wichtigkeit erforderlich ist.«
    Daraufhin verstummten alle. Irgendetwas überdachten sie jetzt, und mir gefiel gar nicht, wie konzentriert sie dies taten.
    »Tikkirej«, begann Ramon, »es gibt eine Möglichkeit. Aber sie ist nicht besonders

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