Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schlangenschwert

Das Schlangenschwert

Titel: Das Schlangenschwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
Vom Netzwerk:
umarmte, wurde er rot.
    »Na, wie ist er?«, fragte Stasj kurz und nickte Anna wie einer alten Bekannten zu.
    »Ich glaube«, Anna wurde sofort ernst, »dass es dieser junge Mann rechtzeitig geschafft hat.«
    Ich begriff, dass sie über mich sprach.
    »Ist etwas dabei herausgekommen?«, wollte Stasj wissen.
    Anna schüttelte den Kopf.
    Der Phag schien auch keine andere Antwort erwartet zu haben. Wir gingen zum Parkplatz.
    »Bist du schlimm gequält worden?«, erkundigte ich mich leise bei Lion.
    »Wir haben uns unterhalten«, antwortete Lion ernst. »Über meinen Traum.«
    »Na und?«
    »Anna meint, dass er keine wertvollen Informationen enthalten würde. Er wäre ein Propagandaprogramm, das unterbrochen wurde, bevor es aktiv werden konnte. Jetzt würde es allmählich verblassen und in Vergessenheit geraten wie ein gewöhnlicher Traum. Am Ende hätte etwas Wichtiges kommen müssen... weswegen die Leute an Inej glauben. Aber bei mir hat dieser Teil nicht funktioniert.«
    »Also bist du wieder normal?«, wollte ich wissen und ergänzte schnell: »Sie halten dich nicht für einen Feind?«
    »Nein«, Lion schüttelte energisch den Kopf. »Ich werde noch einen ausführlichen Bericht über meinen Traum verfassen, Fragebögen ausfüllen und einige Tests bestehen müssen. Und das ist alles, mehr wird nicht gefordert.«
    Stasj dirigierte ihn zum »Dunaj«.
    Ich setzte mich neben Lion auf den Rücksitz, Stasj nahm hinter dem Lenkrad Platz und stellte die Automatik an. Gleich darauf fragte er: »Wirst du den Vorschlag des Rats annehmen, Tikkirej?«
    »Welchen Vorschlag?«, fragte Lion flüsternd. Vorläufig würde ich ihm noch nichts verraten.
    »Ja, Stasj.«
    »Ich glaube nicht, dass das Spiel seinen Einsatz lohnt, Tikkirej.« Stasj schüttelte zweifelnd den Kopf. »Eine Peitsche ist kein Lebewesen. Sie ist eine Sache. Verwechsle das nie!«
    »Nicht ganz«, sagte ich störrisch.
    Stasj holte Luft und rieb seine Stirn.
    »Selbst wenn! Sei es eine Verbindung aus Mechanik, Elektronik und lebendem Gewebe... Das ist nicht von Bedeutung. Was glaubst du, Tikkirej, wäre es denn vernünftig, sein Leben für die Rettung seines... na, sagen wir, geliebten Hündchens zu riskieren?«
    »Es wäre unvernünftig.«
    »Warum bist du dann dazu bereit, nach Neu-Kuweit geschickt zu werden?«
    Lion starrte mich an.
    »Soll ich die Wahrheit sagen?«, fragte ich. »Damit Lion die Möglichkeit hat, dorthin zu kommen.«
    »Und was hat Lion davon?«
    »Dort sind doch meine Eltern!«, mischte sich Lion ein. »Geht das? Ist es möglich auf Neu-Kuweit zu gelangen? Der Planet ist doch in Quarantäne, oder nicht?«
    Stasj erwiderte zunächst nichts. Dann fing er an zu sprechen, wobei er seine Worte sorgsam wählte: »Lion, ich verstehe deine Erregung und deine Sehnsucht nach deinen Eltern. Aber glaub mir, auf den von Inej eroberten Planeten gibt es weder Massenverhaftungen noch Blutbäder unter der Bevölkerung. Und auch keine Repressionen...«
    »Wovor sollten wir uns dann fürchten?«, fragte Lion.
    Und ich fügte hinzu: »Stasj, stell dir vor, du wärst dreizehn Jahre alt. Und deine Eltern wären irgendwo auf einem anderen Planeten... Und du könntest dorthin gelangen...«
    Der »Dunaj« fuhr gemächlich über die Straßen, die Automatik hatte die am wenigsten befahrene Strecke gewählt, vorbei an erleuchteten Gebäuden, luxuriösen Büros, Hochstraßen – und Stasj’ Gesicht erschien ungewöhnlich weich vor dieser Kulisse.
    »Die Mehrzahl der Phagen hat überhaupt keine Eltern, Tikkirej. Aber ich hatte einen Vater. Er verschwand während einer Mission auf dem... auf einem kleinen Planeten. Ich war da gerade elf Jahre alt und schon damals hätte ich ein Raumschiff entführen und einen Rettungsversuch unternehmen können. Aber mir war völlig klar, dass ich keine Chance hatte. Und ich blieb auf Avalon, um meine Ausbildung fortzusetzen.«
    Er schwieg eine Zeit lang und ergänzte dann:
    »Du könntest nun sagen, dass ich ihn nicht geliebt habe. Aber das wäre falsch.«
    »Ich glaube dir, Stasj.« Ich fühlte plötzlich einen Kloß im Hals. »Du hast aber doch selber gesagt... dass unsere Zivilisation viel zu vernünftig und logisch sei. Das hast du bemängelt. Und meine Eltern... gerade sie haben immer richtig und logisch gehandelt. Anders wäre es nicht gegangen. Aber ich werde sie nun nie mehr wiedersehen... Es gibt sie nicht mehr. Und wenn wir jetzt wieder logisch handeln würden, dann wird auch Lion seine Eltern nicht wiedersehen. Vielleicht gibt es

Weitere Kostenlose Bücher