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Die unsterbliche Braut

Die unsterbliche Braut

Titel: Die unsterbliche Braut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aimée Carter
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PROLOG
    Calliope stapfte über die sonnenbeschienene Wiese und ignorierte das Geplapper des Rotschopfes, der hinter ihr hertänzelte. Ingrid war die erste Sterbliche, die versucht hatte, die Prüfungen zu bestehen, um Henrys Frau zu werden. Und hätte er mehr als fünf Minuten am Tag mit ihr verbracht, hätte er vielleicht verstanden, warum Calliope sie umgebracht hatte.
    „Mach dich auf was Tolles gefasst“, sagte Ingrid, während sie ein Kaninchen aus dem hohen Gras hob und es sich an die Brust drückte. „Um zwölf Uhr mittags fängt alles an zu blühen.“
    „So wie gestern?“, erwiderte Calliope. „Und vorgestern? Und am Tag davor?“
    Ingrid strahlte. „Ist das nicht wunderschön? Hast du die Schmetterlinge gesehen?“
    „Ja, ich hab die Schmetterlinge gesehen“, gab Calliope zurück. „Und die Rehe. Und jedes sonstige Detail deines sinnfreien Lebens nach dem Tod.“
    Ein Schatten schien sich auf Ingrids Gesicht zu legen. „Tut mir leid, wenn du’s dämlich findest, aber es ist mein Leben nach dem Tod, und mir gefällt’s.“
    Es kostete sie große Mühe, aber Calliope verkniff es sich, die Augen zu verdrehen. Ingrid wütend zu machen würde alles nur verschlimmern. Und so wie es gerade lief, würde es noch ewig dauern, bis Calliope hier rauskam. „Du hast recht“, lenkte sie betont freundlich ein. „Es ist bloß so, dass ich nie Zeit in diesem Reich verbringe, deshalb ist das alles etwas ungewohnt für mich.“
    Ingrid entspannte sich und streichelte das Kaninchen. „Ist ja klar, dass du hier keine Zeit verbringst“, erklärte sie kichernd, sodass Calliope unwillkürlich mit den Zähnen knirschte. „Du bist eine Göttin. Du kannst nicht sterben. Anders als ich“, fügte sie hinzu. „Aber es war nicht so schlimm, wie ich erwartet hatte.“
    Hätte diese Idiotin auch nur einen Funken Verstand besessen, hätte sie gewusst, dass Calliope nicht irgendeine Göttin war. Sie war eins der ursprünglichen sechs Ratsmitglieder, bevor dieseKinder bekommen hatten und der Rat gewachsen war. Bevor ihr Ehemann beschlossen hatte, dass Treue unter seiner Würde war. Bevor sie die Unsterblichkeit wie Bonbons verteilt hatten. Sie war eine Tochter der Titanen, nicht einfach bloß eine Göttin. Sie war eine Königin.
    Und egal, was der Rat und diese Schlampe Kate entschieden hatten: Sie hatte es nicht verdient, hier sein zu müssen.
    „Gut“, antwortete Calliope. „Den Tod zu fürchten ist dumm.“
    „Henry sorgt dafür, dass es mir gut geht. Ab und zu kommt er vorbei und verbringt einen Nachmittag mit mir“, erzählte Ingrid. Und mit einem provozierenden Grinsen fügte sie hinzu: „Du hast mir nie erzählt, wer gewonnen hat.“
    Calliope öffnete den Mund, um zu erklären, dass es kein Wettbewerb war, doch das war nicht die Wahrheit. Alles daran war ein Wettbewerb gewesen, und sie hatte viel härter um den Preis gekämpft als alle anderen. Meisterhaft hatte sie ihre Konkurrentinnen ausgelöscht. Selbst Kate wäre gestorben, hätten Henry und Diana nicht eingegriffen.
    Calliope hätte die Siegerin sein sollen, und Ingrids Grinsen war wie Salz in dem blutigen Loch, wo einmal ihr Herz gesessen hatte. Zuerst hatte sie ihren Ehemann verloren. Und als sie gedacht hatte, sie hätte jemanden gefunden, der ihre Misere verstand und ihr die Liebe geben konnte, nach der sie sich so sehnte, hatte dieser Jemand – Henry – ihr nicht einmal eine Chance gegeben. Und deshalb hatte sie alles verloren. Ihre Freiheit, ihre Würde, jeden Funken Respekt, den sie sich über die Jahrtausende erkämpft hatte. Doch ihr größter Verlust war Henry gewesen.
    Seit Anbeginn der Menschheit waren sie zusammen gewesen, zwei der ursprünglichen sechs. Über Äonen hatte sie ihn beobachtet, umhüllt von Geheimnissen und einer Einsamkeit, die niemand durchbrechen konnte – zumindest bis Persephone auf der Bildfläche erschienen war. Und nach dem, was sie ihm angetan hatte …
    Wenn irgendjemand es verdient hatte, bestraft zu werden, dann Persephone. Alles, was Calliope je gewollt hatte, war, dassHenry glücklich war. Und eines Tages würde er begreifen, dass er das nur sein konnte, wenn sie endlich vereint waren. Egal, wie lange es dauern würde, sie würde ihn dazu bringen, das zu erkennen. Und dann würde Kate dafür bezahlen, dass sie ihnen kostbare gemeinsame Zeit gestohlen hatte.
    „Calliope?“, hakte Ingrid nach, und Calliope versuchte, diese trüben Gedanken abzuschütteln. Die Worte verflüchtigten sich aus ihrem Kopf, doch

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