Das Schlangental - Neal Carey 3
setzen, die Füße aufs Geländer zu legen und nichts Komplizierteres als eine Bildunterschrift zu lesen.
»Möglicherweise ist heute der letzte Nachmittag, der warm genug dafür ist. Du kannst mir Gesellschaft leisten«, sagte sie zu Neal, »wenn du versprichst, nur kurze Sätze zu sagen.«
»Danke.«
»Guter Anfang«, sagte Peggy. Sie goß in drei Gläser Eistee, füllte zwei mit einem Schuß Smirnoff auf, und gab ihrem Mann das dritte.
»Du bist eine schreckliche Frau«, sagte er.
»Hmm. Ist unser Augenstern mit Jory Hansen zu einem fröhlichen Ritt aufgebrochen?«
»Sie ist jedenfalls fröhlich. Wieso, soll sie was für dich erledigen?«
»Na ja, sie könnte eine Handgranate in ihr Zimmer werfen, um es aufzuräumen … aber sonst nichts. Kommt schon, Jungs, die Veranda wartet.«
Sie nahm ihre Zeitschriften und stieß mit dem Ellenbogen die Verandatür auf.
»Ihr zwei Alkoholiker könnt vorgehen«, sagte Steve. Er kippte seinen Eistee in einem Zug hinunter. »Ich will noch mal kurz nach den Viechern schauen. Sind das etwa Zeitschriften mit vielen Anzeigen, kleinen Parfumproben und Artikeln über Orgasmen?«
»Yep«, entgegnete Peggy.
»Dann heb mir eine auf«, sagte Steve. »Bin gleich wieder da.«
Neal folgte Peggy hinaus auf die Veranda. Tatsächlich zog sie sich einen Liegestuhl heran, ließ einen Stapel Zeitschriften auf den Boden knallen und legte die Füße aufs Geländer hoch.
»Harter Tag?« fragte Neal.
»Eigentlich nicht. Es ist einfach nur schön, die Möglichkeit zu haben, sich niederzulassen und sich zu entspannen, am Nachmittag. Das ist meine Lieblingszeit.«
Sie nahm eine der Zeitschriften hoch, leckte ihren Finger an und begann, darin zu blättern.
»Cosmo«, sagte sie. »Also, wollen mal sehen … Wie werden hochrangige junge Abteilungsleiterinnen befriedigt? Nein, keine Bilder. Nächste Geschichte.«
Neal setzte sich, trank seinen Tee, sah zu, wie das Nachmittagslicht sanfter wurde.
»Also, Neal Carey«, sagte Peggy, während sie durch die Zeitschrift blätterte, »was ist bei Hansen los?«
»Weiß nicht.«
»Hmm.«
Neal haßte ihre »Hmms«. Sie konnte einen umbringen mit ihrer Skepsis. Wenn Peggy Mills Ermittler bei der Polizei in New York City wäre, würde jeder Verbrecher der Stadt zusammenbrechen und um den Einsatz des Schlagstocks bitten, bevor sie noch einmal Hmm machen konnte.
»Was sagt denn Jory?« fragte Neal.
»Jory sagt noch weniger, als Jory normalerweise sagt. Jory redet wie einer dieser Indianer in den alten Jeff-Chandler-Filmen. Jede Menge ›Ughs‹ und ›Uhs‹.«
»Hmm.«
»Sehr lustig. Aber irgend etwas ist los bei Hansens, und ich dachte, weil du da in der Nähe wohnst…«
»Ich dachte, du willst jetzt nicht viel reden.«
Peggy sah von ihrem Magazin auf und starrte hinüber zu den Bäumen auf der anderen Seite des Rasens.
»Ach, vergiß es. Vielleicht liegt’s nur daran, daß es spät am Nachmittag ist … und daß auch mein Nachmittag naht … daß der Winter kommt und mein Baby schon ganz groß ist … und mein Mann ein großes, schwaches Herz hat…« Sie streckte die Hand aus, nahm seine und drückte sie. Er drückte zurück.
»Du drehst doch jetzt erst richtig auf«, sagte Neal.
Sie drückte seine Hand nochmal, dann ließ sie los. »Du bist ein guter Junge, Neal. Ich kenne ein paar Frauen hier in der Gegend, die dich rasend gerne kennenlernen würden. Kommst du heute abend mit zu Phil and Margie’s? Einen Samstagabend ausgehen? Dann stell’ ich dir ein paar Bergfrauen mit schimmerndem Haar und langen Beinen vor.«
»Ich kann aber nicht tanzen.«
»Das würden sie dir bestimmt gern beibringen, Süßer.«
»Ich weiß nicht.« Ich weiß nicht, Peggy. Die letzte Frau, die mir das beibringen wollte, ist tot.
»Also, komm einfach gegen acht, wenn du Lust hast.«
»Okay.«
Neal trank seinen Tee aus und stand auf. »Danke für den Tee. Sag Steve, daß ich los mußte, ja? Vielleicht sehen wir uns heute abend.«
Er holte seine Sachen aus dem Pick-up, schnallte sie sich auf den Rücken und marschierte rüber zur Hütte. Er hatte noch was zu erledigen.
Wenn er tatsächlich daran dachte, den Winter hier zu verbringen, mußte er zuerst etwas klären.
Neal hörte die Kugel hinter sich in den Baum einschlagen, als er sich zu Boden fallen ließ. Er spürte keinen Schmerz, fragte sich, ob sich der Tod so anfühlte, suchte dann nach dem großen Loch in seinem Körper.
»Du bist tot, Jude«, sagte Cal Strekker und kam hinter einem
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