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Das Schlangental - Neal Carey 3

Das Schlangental - Neal Carey 3

Titel: Das Schlangental - Neal Carey 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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alte Mann ließ die Sehne seines Bogens los, und der kleine Pfeil fuhr durch den Hals des Kaninchens. Das Kaninchen zuckte und zappelte im Todeskrampf, dann lag es still. Der alte Mann stand auf, nahm das Kaninchen bei den Füßen und ging zurück zu der Höhle, um sich der langen Aufgabe zu widmen, es mit einem geschärften Stück Feuerstein zu häuten.
    Etwas zu Essen zu finden verbrauchte seine gesamte Zeit und würde nur noch schwieriger werden. Der alte Mann war betrübt, daß der Sommer – die Zeit, in der der Schöpfer der Erde nahe war und die Knochen des alten Mannes wärmte – sich dem Ende zu neigte. Es war so viel einfacher, im Sommer etwas zu Essen zu finden, man konnte Wurzeln ausgraben, Kiefernkerne sammeln und große Klumpen Wüstengras ausreißen. Es gab Mesquite-Bohnen und das Ried am Bachufer, und es tat einem alten Mann gut, auf einem Stein in der Sonne zu sitzen und die Bohnen und Nüsse zu einer Paste zu zerdrücken, oder am Fluß zu sitzen und Suppe aus Ried und Gras zu machen.
    Und dann gab es Eidechsen und Ratten und Vögel, die man fangen konnte. Und Kaninchen.
    Aber am liebsten aß er Grashüpfer. Der alte Mann erinnerte sich an die Zeit, in der er noch nicht der Letzte seines Volkes gewesen war, als er und seine Brüder und Schwestern mit ihren geschärften Stöcken tiefe Löcher in die Erde gruben, dann bildeten sie einen großen Kreis und schlugen mit den Stöcken auf die Erde, dadurch scheuchten sie die Grashüpfer in das Loch, wo sie sie mit Leichtigkeit fangen konnten. Es gab so viele Arten, Grashüpfer zu essen: Man konnte sie zerdrücken, konnte sie mit Süßgras zu Suppe kochen, konnte sie auf einem Stein im Feuer rösten oder in der Sonne trocknen lassen. Oder, wenn sie sehr hungrig waren und ihre Väter gerade nicht zu ihnen herüberschauten, steckten sie sich ganz einfach einen lebenden Hüpfer in den Mund und kauten.
    Aber das waren nurmehr Erinnerungen, jetzt gab es keine Brüder und Schwestern mehr, ihm zu helfen, und es war schwieriger, Grashüpfer zu fangen. Und bald würde der Schnee kommen und er würde in den Bergen bleiben müssen, fern von den weißen Männern, und es würde sehr kalt werden. Er mußte noch viele Kaninchen töten, wegen ihres warmen Pelzes und ihres Fleisches. Und vielleicht würde er bald versuchen müssen, mit seinem Bogen und dem geschärften Stock ein Bergschaf zu töten, denn er wagte es nicht mehr, sich hinunter ins Tal zu schleichen und eines der Kälber der weißen Männer zu stehlen. Nicht, wenn man seine Spuren im Schnee verfolgen konnte.
    Shoshoko, »Grabender« – das war sein Name, obwohl er ihn seit vielen Jahren nicht ausgesprochen gehört hatte – nahm seinen geschärften Stock und ging zurück in Richtung seiner Höhle. 
     
    Neal fand Einkaufen eine aufregende Sache. Das war nicht so gewesen, als er in New York City gelebt hatte, drei Blocks entfernt von einem Gemüseladen, und auch nicht in Yorkshire, wo Fleischer und Lebensmittelladen einen angenehmen zwanzig-Minuten-Spaziergang entfernt waren. Doch mit Sicherheit fand er es jetzt, nachdem er zwei Monate lang sein Essen hatte einkaufen, selbst lagern und frischhalten müssen. Jetzt hielt er auch Dosen mit Dinty Moore Beef-Stew für eine der wunderbarsten Erfindungen der Menschheit, mindestens gleichrangig mit den Pyramiden, den hängenden Gärten Babylons und Hormel Chili. Außerdem hielt er sehr viel von Jolly-Green-Giant’s-Dosen mit grünen Bohnen, Erbsen und Pfirsichspalten in süßem, klebrigem Saft – vor allem von Pfirsichen, die einen Tag im Leinenbeutel in kaltem Flußwasser hingen.
    Und was für ein Genie, fragte sich Neal, hatte die Erdnußbutter erfunden? War das wirklich ein Irrer namens »Skippy« gewesen? Egal, es war ein großer kultureller Fortschritt. Sollten die Restaurantkritiker, die Gesundheitsfanatiker und die Yuppies doch jammern und Dosenessen verdammen. Für Neal bedeutete Essen in Dosen Freiheit und die Möglichkeit, auf Armeslänge entfernt von der Zivilisation zu leben – zu überleben. Dosenfutter gab ihm die Möglichkeit, in seiner Hütte zu wohnen und viel Zeit zu haben, gute Bücher zu lesen, zu fischen und zu schlafen, anstatt seine ganze Zeit damit zu verbringen, im Dreck zu wühlen, zu jagen oder das Grünzeug vor den Schädlingen zu schützen.
    Steve Mills sah das genauso.
    »Es freut mich zu sehen«, sagte Steve, als er betrachtete, was Neal eingekauft hatte, »daß du keiner von diesen Touristen bist, die mit ihrem Whole-Earth-Katalog

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