Das Schlangental - Neal Carey 3
reicht. Teufel, ich krieg ihn, Peggy kriegt ihn, Shelly würde es auch erwischen, wenn sie nicht sowieso schon ein verrückter Teenager wäre. Aber ich hab’ ein paar dieser Überlebenskünstler, Vietnam-Veteranen und Hippies gesehen, die versucht haben, hier in der Gegend den Winter allein durchzuhalten. Wenn’s Frühling wird, ist es für sie schon zu spät, verstehst du? Glaubst du, Brogan hat noch Bourbon, oder haben wir schon alles ausgetrunken?«
Steve nahm Neals Glas und kam mit zwei frischen Drinks zurück. Er setzte sich, zündete sich eine Zigarette an, schob seinen Stuhl bis an die Wand heran.
»Warum kommst du nicht zu uns rüber und wohnst im Winter bei uns? Ich könnte Hilfe gebrauchen, Peggy würde gern mal zur Abwechslung ein paar neue Lügen hören, und Shelly glaubt sowieso, du könntest den Mond runterholen.«
»Was für Hilfe brauchst du denn im Winter?« fragte Neal zweifelnd.
»Na ja, ich kann doch nicht den ganzen Bourbon alleine trinken.«
»Wird schon gehen, Steve. Ich bin daran gewöhnt, allein zu sein. Mir gefällt’s.« Außerdem, dachte er, hab’ ich ab und zu was Komisches vor.
»Wie du meinst. Aber ich kann dir jetzt schon sagen, Peggy wird dich über Weihnachten nicht da draußen vereinsamen lassen. Sie holt dich notfalls bewaffnet und bindet dich hinten aufs Pferd.«
Sie tranken aus und gingen zurück zum Wagen. Zwanzig staubige Meilen später bogen sie in Mills’ Auffahrt. Shelly und Jory standen beim vorderen Pferch. Shelly warf Dash einen Sattel über. Das Pferd machte kleine Tanzschritte wie ein Preisboxer vor dem Gong zur ersten Runde. Jory sattelte eine Mähre mit dem angemessen vertrauenerweckenden Namen »Cocoa«.
»Hey, Neal«, rief Shelly. »Willst du reiten?«
Das war der Dauerscherz zwischen ihnen beiden. Shelly hatte versucht, Neal seit seinem ersten Morgen in Nevada auf den Rücken eines Pferdes zu bringen. Manchmal ritt sie mit Dash bis zu seiner Hütte, sie brachte Cocoa oder die genauso zahme Dolly mit und versuchte, ihn dazu zu bringen, in ihrem Gefolge zu reiten. Neal empfand die Vorstellung, auf dem Rücken eines Pferdes über den Rücken eines Berges zu reiten als doppelte Herausforderung, der er sich nicht im Namen der Entspannung stellen wollte.
»Ich möchte euch zwei Turteltauben nicht stören«, entgegnete Neal.
Shelly lachte und strahlte ihn an. Dann stemmte sie ihren Fuß in den Steigbügel und schwang sich aufs Pferd.
»Was ist los? Hast du Angst davor zu reiten?«
Neal war versucht, ihr zu sagen, daß er schon den IRT Nummer zwei, auch bekannt als das blecherne Biest, geritten war, besten Dank. Er war auch versucht, ein paar dumme Sprüche über Teenager und Pferde zu klopfen. Aber beides verkniff er sich. Shelly war ein nettes Mädchen und wollte einfach nur ihr Vergnügen teilen.
Genau.
»Hi, Neal«, sagte Jory.
Das war für Jorys Verhältnisse ein Sermon.
»Wie läuft’s?« fragte Neal.
»Wir gehen reiten«, sagte Jory und stieg in den Sattel.
Shelly trat Dash in die Flanken, und das Pferd rannte aus dem Pferch, als wäre der Teufel hinter ihm. Jory spannte die Zügel, und Cocoa trottete hinterher.
Steve sah sie davonreiten. »In Berkeley hätten wir gesagt, daß das Leben in diesem Fall die Kunst nachäfft. Ich fürchte, der Junge wird ihren Staub fressen, solange er ihr auf der Spur bleibt.«
»Läßt sie ihn hinter sich?«
»Oh, ich glaube schon. Ich glaube, sie schaffen es noch durch das Senior-Jahr, aber wenn sie erst aufs College geht und sieht, was dort draußen alles los ist … In der letzten Zeit sieht Jory nicht viel mehr als die Ranch seines Dads. Ich sage dir, ich hoffe, Shelly ruft uns eines Sommers aus dem College an und versucht uns zu überzeugen, daß sie die Sommerferien damit verbringen muß, mit dem Fahrrad durch Europa zu fahren oder sich nackte Statuen in Italien anzusehen. Wir werden es ihr nicht gleich erlauben, nur damit sie dann umso mehr Spaß hat, aber ich hoffe sehr, daß das passieren wird.«
»Sie liebt das Leben hier, Steve«, sagte Neal.
»Sie kann jederzeit zurückkommen. Willst du zum Essen bleiben? Ich werf einfach nur ein paar Steaks auf den Grill.«
»Lieber nicht. Ich muß noch was erledigen.«
»Ganz schön viel Arbeit, ein Bergmensch zu sein. Dann trink wenigstens eine Tasse Kaffee mit Peggy, sonst krieg’ ich Ärger.«
Peggy hatte keinen Kaffee gekocht. Sie hatte eine Kanne Tee, eine Flasche Wodka, einen Stapel Zeitschriften und den festen Vorsatz, sich auf die Veranda zu
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