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Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend

Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend

Titel: Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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ein
Traum. Was glaubst du, was die Mädchen für Augen machen, wenn
sie nach Hause kommen und all die Konserven sehn …«
    Meine Mutter drückte Tante Anna an sich. Dann lösten sich die beiden voneinander.
»John ist kein schlechter Mensch«, sagte meine Tante.
»Ich weiß«, sagte meine Mutter. »Wiedersehn, Anna.«
»Wiedersehn, Katherine. Wiedersehn, Henry.«
    Meine Mutter drehte sich um, und ich folgte ihr hinaus. Wir gingen zum Model-T und stiegen ein. Mein Vater startete den Wagen.
    Als wir losfuhren, sah ich, daß meine Tante
vor der Tür stand und winkte. Meine Mutter winkte zurück.
Mein Vater nicht. Ich winkte auch nicht.

    5

    Ich entwickelte langsam eine Abneigung gegen
meinen Vater. Ständig war er wütend wegen irgend etwas. Wo
immer er hinging, überall bekam er Streit mit den Leuten. Doch die
meisten schienen keine Angst vor ihm zu haben. Oft starrten sie ihn nur
ganz ruhig an, und das machte ihn noch wütender. Wenn wir in ein
Restaurant gingen, was selten vorkam, fand er am Essen
regelmäßig etwas auszusetzen, und oft weigerte er sich, die
Rechnung zu bezahlen. »Da ist ja Fliegendreck auf dieser
Schlagsahne! Was ist denn das für ein Saftladen hier?«
    »Tut mir leid, Sir. Sie brauchen nichts zu bezahlen. Nur gehn Sie bitte …«
    »Und ob ich gehe! Aber ich komme wieder! Und dann brenn ich diesen gottverdammten Laden nieder!«
    Einmal waren wir in einem Drugstore. Meine Mutter
und ich standen etwas abseits, während mein Vater einen
Verkäufer anschrie. Eine Angestellte fragte meine Mutter:
»Wer ist dieser schreckliche Mensch? Jedesmal, wenn er hier
reinkommt, gibt es Streit.« »Das ist mein Mann«,
sagte meine Mutter.
    Doch ich erinnere mich, daß ich ihn auch
einmal anders erlebt habe. Er arbeitete für eine Molkerei und fuhr
frühmorgens die Milch aus. Eines Morgens kam er zu mir ins Zimmer
und weckte mich. »Komm, ich will dir mal was zeigen.« Ich
ging in Schlafanzug und Hausschuhen mit ihm vors Haus. Es war noch
dunkel. Der Mond stand am Himmel. Wir gingen zu seinem Milchwagen, vor
dem regungslos das Pferd stand.
    »Paß auf«, sagte er. Er holte
ein Stück Würfelzucker aus der Tasche und hielt es dem Pferd
auf der Handfläche hin. Das Pferd fraß ihm den
Würfelzucker aus der Hand. »Jetzt versuch du es mal
…« Er gab mir ein Stück in die Hand. Das Pferd war
riesengroß. »Geh näher ran. Halt ihm die Hand
hin.« Ich hatte Angst, daß mir das Pferd die Hand
abbeißen würde. Der Pferdekopf kam herunter. Ich sah die
großen Nüstern, die Lippen klappten zurück, ich sah die
Zähne, zwischen denen die Zunge herauskam, und dann war das
Stück Würfelzucker verschwunden. Mein Vater gab mir noch
eins. »Da. Versuch’s nochmal.« Ich versuchte es noch
einmal. Das Pferd nahm den Würfelzucker und wackelte mit dem Kopf.
»So«, sagte er, »jetzt bring ich dich wieder rein.
Sonst scheißt dich das Pferd vielleicht noch voll.« Ich
durfte nicht mit den anderen Kindern spielen. »Es sind schlechte
Kinder«, sagte mein Vater. »Ihre Eltern sind arm.«
Meine Mutter stimmte ihm zu. Meine Eltern wollten gerne reich sein, und
da sie es nicht waren, taten sie wenigstens so.
    Mit gleichaltrigen Kindern kam ich erst im
Kindergarten zusammen. Sie wirkten sehr eigenartig auf mich — sie
lachten und schwatzten und schienen glücklich zu sein. Ich mochte
sie nicht. Mir war immer schlecht, als müßte ich mich gleich
übergeben, und die Luft kam mir seltsam weiß und
lähmend vor. Wir malten mit Wasserfarben. Im Garten säten wir
Radieschen ein, und ein paar Wochen später aßen wir sie mit
Salz. Die Kindergärtnerin fand ich sehr nett. Ich mochte sie
lieber als meine Eltern.
    Mein Problem war, daß ich nicht aufs Klo
gehen wollte. Ich mußte zwar ständig, aber ich genierte
mich, es die anderen merken zu lassen. Also klemmte ich. Das war
wirklich schauderhaft. Mir war speiübel, die Luft war weiß
und drückend — und dauernd dieser Drang, aufs Klo zu
müssen. Aber ich sagte nichts. Wenn eines der anderen Kinder von
seinem Geschäft zurückkam, dachte ich immer: Du bist dreckig,
du hast da drin was Schmutziges gemacht… Die kleinen
Mädchen sahen niedlich aus in ihren kurzen Kleidchen, mit ihren
langen Haaren und wunderschönen Augen, aber auch bei ihnen dachte
ich, daß sie da drin etwas Schmutziges machten, auch wenn sie so
taten, als wäre nichts.
    Die Zeit im Kindergarten bestand für mich vorwiegend aus weißer Luft.
    In der Grundschule wurde es anders. Dort gab es
sogar Zwölfjährige, denn sie

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