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Das Schloß der blauen Vögel

Das Schloß der blauen Vögel

Titel: Das Schloß der blauen Vögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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er die Bewegung … dann waren die Türen alle wieder gleich.
    Nachdenklich blieb Dr. Kamphusen bei Zimmer 11 stehen und überlegte.
    Zimmer 17, dessen Tür sich bewegt hatte, beherbergte den Diplomaten Elmar Ritter von Lureck. Während er als Gesandter und Leiter der Wirtschaftsabteilung einer großen Botschaft in Ostasien war, zeigten sich plötzlich Ausfallerscheinungen bei ihm. Er begann das linke Bein nachzuschleppen, klagte über Müdigkeit, und vulkanähnlich brach eines Tages der Wahn bei ihm aus. »Ich bin gelähmt!« schrie er und lag bewegungslos im Bett. Es war, als sei er aus Holz geschnitzt – weder Arme noch Beine konnte er rühren, hob man sie an, blieben sie steif wie ein Brett und fielen leblos herab. Die hysterische Lähmung, deren Ursache niemand ergründen konnte, wurde so schlimm, daß selbst das Schlucken von Speisen unmöglich war. Elmar Ritter von Lureck wurde künstlich ernährt. Man flog ihn zurück nach Deutschland, wo ihn seine Verwandten zu Professor Dorian nach Hohenschwandt brachten. Hier gelang es, ihn wenigstens wieder zum Schlucken zu bewegen; Beine und Arme aber blieben gelähmt.
    Es war also völlig unmöglich, daß Elmar von Lureck sein Bett und das Zimmer verlassen konnte, etwa, um auf die Toilette zu gehen. Schwester Lotte, die Nachtschwester, bemühte sich ein Stockwerk höher um Frau Eisenreich. Der zweite Nachtdienst wachte im Nebenflügel und hatte hier nichts zu suchen … und trotzdem hatte sich die Tür zu Zimmer 17 bewegt.
    Dr. Kamphusen wurde es warm. Er spürte ein Brennen im Gesicht, als bekäme er eine Allergie.
    Auf Zehenspitzen schlich er den dunklen Gang hinunter, blieb vor Zimmer 17 stehen und legte das Ohr an das Türblatt.
    Kein Laut, keine Bewegung, kein Schimmer von Licht.
    Es war keine Täuschung, sagte sich Dr. Kamphusen. Ich bin doch nicht blöd! Gut, ich habe eine halbe Flasche Wodka getrunken, aber nach dem kalten Wasserstrahl bin ich ganz klar.
    Hier in diesem Zimmer ist jemand, der nicht hineingehört.
    Kamphusen drückte die Klinke herunter, stieß die Tür weit auf, drehte gleichzeitig den Lichtschalter neben der Tür und stürzte ins Zimmer.
    Elmar Ritter von Lureck lag schlafend in seinem Bett, die Arme hinter dem Nacken verschränkt. Wenn er schlief, sein Wille also ausgeschaltet war, bekam sein Körper wieder die Beweglichkeit eines normalen Menschen. Wachte er auf, wurden Arme und Beine sofort steif und brettähnlich.
    Kamphusen sah sich schnell um. Die Fenstertür zum Balkon war offen, der Nachtwind blähte die Übergardine. Mit drei weitausgreifenden Schritten war Kamphusen dort, riß die Gardine zurück und sah einen Mann im weißen Arztkittel, der sich gerade über die Balustrade schwingen wollte, um an den dicken Stöcken des wilden Weines hinabzuklettern.
    Noch nie in seinem Leben war Kamphusen so flink gewesen wie in diesen Sekunden. Noch nie hatte er soviel Mut besessen wie jetzt. Er stürzte sich auf den Mann im weißen Kittel, riß ihn zurück, wich einem wuchtigen Schlag aus, der statt des Kopfes nur seine Schulter traf, schlug dann selbst mit der freien rechten Faust zu und wunderte sich, daß der Unbekannte einen ächzenden Laut von sich gab, über den Balkon taumelte und sich gegen die Mauer lehnte.
    Mit nie geahnter Kraft zog Kamphusen den Mann vom Balkon in das Licht des Zimmers. Dort stieß er ihn auf den Stuhl neben dem Tisch und riß ihm die Hände vom Gesicht, die der Unbekannte zum Schutz davorgepreßt hatte.
    »Sie?« sagte Kamphusen keuchend. »Sie, Poldi?«
    Leopold Wachsner, Krankenpfleger auf Station I, seit vier Jahren ein zuverlässiger, fleißiger, stiller Mitarbeiter, starrte Kamphusen aus rotgeränderten Augen an. Er ächzte noch immer, der Schlag hatte die Leber getroffen, ein verteufelter Schlag, der schon manchen Boxer k.o. auf die Matte legte. Für Kamphusen war es ein Zufallsschlag – er war selbst über diese Wirkung verblüfft.
    »Was machen Sie hier, Poldi?« Kamphusen spürte, wie es in ihm zu prickeln begann. Ohne weitere Fragen trat er an Leopold Wachsner heran, griff in die Taschen des weißen Kittels und zog zwei Spritzenkästen heraus. Wachsner leistete keinen Widerstand. Er saß auf dem Stuhl und japste nach Luft.
    »Sie also sind der nächtliche Doktor Keller, der den Patienten Medikamente spritzt, nach denen sie noch unruhiger werden!« Kamphusens Stimme bebte. Er öffnete die Spritzenkästen. In jedem Kasten lagen vier sterile Spritzen, die Nadeln bereits aufgesteckt. Kamphusen drückte aus

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