Das Schloß der blauen Vögel
recht.«
»Nein!« Wachsner drehte sich um und ging zur Tür. Dr. Kamphusen sprang auf, um ihm den Weg zu vertreten. Dorian winkte ab. Vor der Tür standen die beiden Krankenpfleger wie eine Mauer. »Nein! Ich bin zwar ein Schwein, Herr Professor, aber ich habe trotzdem eine Ehre! In die Hand habe ich versprechen müssen, nie einen Namen zu nennen, und ich tue es auch nicht!«
»Es ist gut, Poldi.« Dorian erhob sich. »Gehen Sie auf Ihr Zimmer. Ich verständige die Polizei. Da Sie eine Ehre haben, wie Sie sagen, erwarte ich von Ihnen, daß Sie auf Ihrem Zimmer bleiben, bis die Beamten kommen.« Dorian ging langsam um den Schreibtisch herum. Er wirkte wie zerknittert. »Schade«, sagte er leise. »Vier Jahre lang habe ich Sie als meinen besten Pfleger betrachtet, Poldi …«
Wachsner fuhr an der Tür herum, als habe ihn jemand von hinten gestochen. Er hatte Tränen in den Augen.
»Sie haben mich fertiggemacht«, keuchte er, »ich konnte nicht anders. Verzeihen Sie mir, Herr Professor. Aber eins … eins sollen Sie doch noch wissen: Es waren Kollegen von Ihnen. Berühmte Kollegen! Sie arbeiten an ähnlichen Forschungen wie Sie.«
»Danke, Poldi.« Dorian nickte Wachsner zu. »Sie sprechen nur aus, was ich ahnte. Sie haben nichts verraten …«
Hinter der Tür wurde Wachsner von seinen Kollegen in Empfang genommen und zu seinem Zimmer gebracht. Dort schloß man ihn ein.
Am Nachmittag meldete man Dorian, daß Leopold Wachsner geflohen war. Durch das Fenster, an den Weinranken hinunter.
»Auch das habe ich erwartet«, sagte Dorian ruhig. »Er wird zu seinen Auftraggebern geflüchtet sein. Warten wir es nun ab, meine Herren … in kurzer Zeit werden wir sie kennen. Sie bleiben nicht stumm!«
Im Schloß der blauen Vögel geschah an diesem Tag etwas Merkwürdiges, ja Absonderliches.
Gerd Sassner erwachte nach zwei Stunden heißer Umarmungen mit einem Ruck aus dem Schlaf, umklammerte seinen Kopf und starrte Ilse Trapps an, die neben ihm schlief. Ihr nackter, weißhäutiger Körper lag ein wenig verkrümmt wie ein erschlaffter Bogen.
Sassner setzte sich. In seine Augen kam der Ausdruck kindlichen, entsetzten Staunens.
»Wer sind Sie?« fragte er heiser. Als Ilse Trapps nicht antwortete, tastete er vorsichtig nach ihr, schob ihre Haare vom Gesicht und tippte sie mit den Fingerspitzen an. »Wer sind Sie? Wo bin ich denn? Wie komme ich in dieses Bett?«
Ilse Trapps dehnte und räkelte sich. Ihr Körper wurde zur Schlange, die sich zuckend wand. Sassner rückte im Bett etwas zur Seite und stellte dabei mit neuem Entsetzen fest, daß auch er völlig nackt war. Er zog die Decke über seine Blöße und beobachtete Ilse mit einem Anflug von Abscheu.
»Wachen Sie auf!« sagte er laut. »Wie kommen Sie in diesem Zustand in mein Bett? Wo bin ich überhaupt?«
Ilse Trapps erwachte. Sie dehnte sich noch einmal und angelte mit den Beinen nach Sassner. Er wich zurück.
»Du bist eine Naturgewalt!«, sagte Ilse träge. »Eine Wucht bist du! Nur gut, daß ich von der Liebe nie genug haben kann.«
Sie rollte sich auf den Bauch und blinzelte Sassner mit einem unverschämt herausfordernden Blick zu. »Wie hast du das eigentlich vorher gemacht? Zwei, drei Frauen in einer Nacht?«
»Erlauben Sie mal!« Sassners Stimme klang befehlend und verletzt. »Wer sind Sie überhaupt?«
»Das ist gut!« Ilse Trapps lachte grell, warf sich auf den Rücken und streckte die Beine empor. Sie strampelte damit in der Luft herum und schlug die Hacken zusammen, spreizte sie dann weit und zog die Knie an, um anschließend hin und her zu wippen. Ein unerhört aufreizendes Bild. Sassner streifte es etwas verlegen und wandte sich dann ab.
Betroffen sah er sich im Zimmer um. Es war ein normales Doppelbettzimmer. An der Längswand stand ein großer handbemalter Bauernschrank. Ein Waschbecken mit rundem Spiegel hing an der Schmalwand. Daneben sah er einen Stuhl, über dem, wie in großer Eile weggeworfen, seine Kleidung hing. Unter dem niedrigen Fenster stand ein Tisch mit einem anderen Stuhl. Die Tapete, verblichen und alt, war fleckig und an einigen Stellen beulend von der Wand gelöst. Billige Kalenderdrucke in einfachen Holzrahmen sollten Freundlichkeit und trauliches Heim zaubern.
Sassner wurde es plötzlich übel. Er stieg aus dem Bett, überwand sich, daß hinter ihm ein unbekanntes rothaariges Mädchen zuschaute, zog sich schnell an und drehte den Wasserhahn auf.
»Du bist so komisch, großer Boss!« sagte hinter ihm Ilse Trapps. Sassner
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