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Das Schloß der blauen Vögel

Das Schloß der blauen Vögel

Titel: Das Schloß der blauen Vögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Täler gleiten. Der erste Mensch ohne Schwerkraft.«
    »Das wäre wirklich herrlich«, sagte Luise mit zugeschnürter Kehle.
    Ich habe verloren, dachte sie dabei. Es war umsonst. Die Erinnerung ist in ihm gestorben. Er ist nicht mehr Gerd Sassner – er ist bloß noch der irrsinnige Mörder, der sich der ›große Boss‹ nennt und sich einen Weibsteufel als Gehilfen hält.
    Sie streckte sich ergeben und schloß die Augen.
    Gerd Sassner nahm einen Mulltupfer, beugte sich vor und trocknete ihr die Tränen vom Gesicht. »Wenn es stimmt«, sagte er dabei, »daß Sie meine Frau sind, dann sind Sie ja schon ein Vögelchen. Das ändert meinen ganzen Plan.«
    Luise nickte. »Früher nanntest du mich Rehlein …«
    »Richtig!« Sassner fuhr ruckartig zurück. In seinem Kopf war es wie ein Blitz gewesen. »Rehlein!« Er warf sich herum und starrte Ilse Trapps an, die zitternd mitten im Zimmer stand. »Schwester Teufelchen!« brüllte er. »Binden Sie die Patientin los! Sofort! Was legen Sie mir denn da auf den Tisch? Sehen Sie nicht, daß sie schon ein Vogel ist?«
    Er wartete nicht ab, bis Ilse an den Tisch kam, sondern löste selbst die Lederschnüre und half Luise, sich zu erheben. Sie setzte sich, ließ die Beine herunterhängen, schlug die Hände vor die Augen und weinte laut und haltlos.
    »Sie bringen die Patientin ins Bett und sorgen dafür, daß sie sich beruhigt. Bei der Visite möchte ich keine Tränen sehen!« Sassner senkte den Kopf. Er nahm Kappe und Mundschutz ab, und jetzt erkannte ihn Luise und streckte die Arme nach ihm aus. Ilse Trapps rührte sich nicht vom Fleck. »Schwester Teufelchen, hören Sie nicht? Sie werden die Patientin mit aller Hingabe pflegen. Die Dame ist sehr krank. Ich muß mir überlegen, wie sie zu heilen ist. Sie hat ihren Mann und zwei Kinder verloren, das hat ihr Gehirn zerstört.«
    »Gerd … o Gerd«, schluchzte Luise. »Ich bin doch jetzt bei dir …«
    Sassner reagierte nicht mehr. Er wandte sich ab, zog seinen weißen Kittel aus, warf ihn über den Instrumententisch und verließ das Zimmer, ohne sich noch einmal umzublicken.
    Luise rutschte von der Tischplatte und umklammerte die Kante. Stumm, haßerfüllt, sahen sich die beiden Frauen an.
    »Du bist also seine Frau?« sagte Ilse Trapps endlich mit rauher Stimme.
    »Ja.«
    »Für diesen Zufall sollte man die ganze Welt in die Luft sprengen.«
    »Es war kein Zufall. Ich habe auf euch gewartet. Ich bin auf der Autobahn hin und her gefahren, von Rastplatz zu Rastplatz.«
    »Du willst ihn wiederhaben, was?«
    »Ja.«
    »So, wie er ist?« Ilse Trapps lachte hysterisch. »Ein Verrückter? Du weißt doch, daß er ein Verrückter ist? Ein Mörder? Er ist die größte Bestie, die je gelebt hat. Und ihn willst du wiederhaben?«
    »Er ist mein Mann …« sagte Luise einfach.
    »Ich weiß es. Ich weiß es!« schrie Ilse Trapps. »Dein Mann! Alles ist nur Gerede! Ich weiß, was du willst. Du willst ihn der Polizei ausliefern. Er soll eingesperrt werden. Aber das wird nie sein! Nie!« Sie ging langsam auf Luise zu, geduckt wie eine angreifende Riesenkatze. »Ich werde dich umbringen«, sagte sie leise, als sie ganz nahe vor Luise stand. »Weiß du das, mein Schätzchen? Ich werde dich umbringen.«
    »Er wird es nie zulassen.«
    »Ich werde dich ihm abringen … dort, wo ich stärker bin als du. Im Bett! Wenn er in meinen Armen liegt, wenn ich ihn an mich presse, werde ich ihn fragen: ›Großer Boss, was bin ich dir wert?‹ Und er wird, wie immer, antworten: ›Die ganze, dumme Welt!‹ Und ich werde weiterfragen: ›Auch diese Frau da draußen?‹ Und er wird sagen: ›Nimm sie dir, Teufelchen, wenn es dir Spaß macht!‹ Und es wird mir Spaß machen, wahnsinnigen Spaß, dich umzubringen. Denn ich will ihn behalten, so lange behalten, bis es mit ihm zu Ende geht. Er ist für mich wie ein Gott … wie Luft, Sonne, Wind und Regen … Du aber willst ihn nur der Polizei übergeben, du … du …«
    »Was sind Sie bloß für ein Ungeheuer«, sagte Luise leise. »Aber glauben Sie nicht, daß ich Angst vor Ihnen habe. Einmal wird mich Gerd erkennen …«
    »Nie wird er das! Nie!« Ilse Trapps breitete ihre Arme wieder aus. »Ich werde meinen Körper dazwischen werfen.«
    »Auch er wird einmal nicht mehr genügen.«
    »Das erlebst du nie!«
    Sie sahen sich wieder an, mit flackernden, wilden Blicken, stumm vor lauter Haß. Und in diese Stille hinein sagte Luise etwas, dem sie selbst mit Verwunderung und Schaudern nachhorchte und nicht begriff, daß

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