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Das Schloß der blauen Vögel

Das Schloß der blauen Vögel

Titel: Das Schloß der blauen Vögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Staunen, und dann geschah bei ihm das gleiche wie bei allen anderen, die HLN 101 eingeatmet hatten: Er sank wie eine angestochene Luftpumpe in sich zusammen, krachte gegen die Wand und blieb dort liegen, gelähmt und doch alles erkennend.
    Dr. Keller zog Angela vom Bett, drückte ihr das Tuch vor das Gesicht und rannte mit ihr aus dem Zimmer. Im Schwesternraum, der unbesetzt war, riß er das Fenster auf und stellte Angela an die frische Luft.
    »Stehenbleiben und tief einatmen!« rief er und lief zurück. Er warf die Tür zu, schloß ab und nahm den Schlüssel mit.
    Dr. Faber und Pfleger Kruschinski hatten die Station I bis auf Zimmer 19 ›erobert‹. Dort gab es Widerstand. Die Tür ließ sich zwar öffnen, aber dahinter prallten sie auf eine Barrikade aus Tischen und Kleiderschränken. Im Zimmer heulten drei Kranke wie die hungrigen Wölfe.
    Dr. Keller jagte die Treppe hinauf zum Chefbüro. Zimmer 19 war nicht so wichtig. Angela war gerettet, nur darauf kam es an. Schon an der Flurbiegung das Gas vor sich herblasend, rannte er zum abgeteilten Trakt, in dem Professor Dorians Räume lagen. Verblüfft sahen ihn die drei Wächter an, dann sanken auch sie in sich zusammen, als seien sie völlig knochenlos.
    In Dorians Zimmer saßen die Ärzte und Pfleger mit bloßem Oberkörper in den Sesseln. Ihre nassen Hemden drückten sie vor das Gesicht. Die Köpfe flogen herum, als der vermummte Mann hereinstürzte und sofort wieder die Tür hinter sich zuwarf. Oberarzt Dr. Kamphusen rannte geistesgegenwärtig zu den Fenstern und riß sie weit auf. In langen Minuten des Wartens hatte Dorian ihnen erzählt, was HLN 101 war.
    Dr. Keller nahm seine Maske vom Gesicht und legte die Gasflasche auf einen Stuhl. Erschöpft lehnte er sich an die Wand.
    »Guten Tag, meine Herren!« sagte er mit bitterer Fröhlichkeit. »Wer ist so gut und holt mir einen Cognac? Dort hinten, im Wandschrank des Chefs, steht die Flasche.«
    Am Abend, gegen 19 Uhr 20, fuhren zwei dunkle Wagen mit Münchner Nummer vor der Klinik Hohenschwandt vor. Niemand beachtete sie. Die Ärzte und Pfleger waren dabei, die vergasten Patienten mit reinem Sauerstoff zu beatmen. Am Bett des Bademeisters Hintzler, der unter einem Sauerstoffzelt lag, standen Professor Dorian und Dr. Keller und kontrollierten Kreislauf und Blutdruck. Eine Spritze mit Intrakardialnadel lag bereit. Hintzler hatte viel Gas geschluckt, seine Lähmung war bedrohlich.
    In den Zimmern räumten Schwestern auf, putzten die Flure und Böden, beseitigten die Schäden der Zerstörungswut.
    Erstaunt, ja betroffen betraten sechs Herren, die mit den beiden Wagen aus München gekommen waren, die Klinik Hohenschwandt. Schon bei der Anfahrt war ihnen manches rätselhaft vorgekommen. Die Privatstraße zum Schloß war mit Bettfedern übersät, vor dem Haus lagen Tisch- und Stuhlbeine und halbe Betten. Sogar ein Klosettbecken, zerschellt in vier Teile, versperrte den Weg.
    »Das sieht ja aus, als habe hier eine Schlacht stattgefunden«, sagte der Kreisarzt zu einem der Herren aus München. »Ich weiß wirklich nicht, was hier vorgefallen ist!«
    Die Herren von der Ärztekammer Bayerns, dem Innenministerium und der Staatsanwaltschaft blieben in der Halle stehen. Befremdet sahen sie auf die Pfleger, die an ihnen vorbeiliefen, ohne sie zu beachten. Erst ein junger Arzt erbarmte sich der schweigsamen dunklen Gestalten.
    »Kann ich etwas für Sie tun?« fragte er. »Doktor Janson. Sind Sie angemeldet? Wir haben im Augenblick alle Hände voll zu tun. Wenn ich Sie zum Wartezimmer führen dürfte …«
    »Ich warte nicht!« Dr. Hugenbeck von der bayerischen Ärztekammer hob seine Stimme. »Wir wünschen Herrn Professor Dorian zu sprechen. Sofort! Sagen Sie, eine Kommission aus München sei gekommen.«
    Dr. Janson eilte davon, zum Zimmer neun, wo Dorian und Keller um das Leben Jakob Hintzlers kämpften.
    Eine Bedrohung, massiver als der Aufstand der Kranken, war ins Haus gekommen.
    Dorians Gegner marschierten auf.
    Der Fortschritt sollte abgewürgt werden.
    Die Medizin duldet keinen Außenseiter, auch wenn es ein Professor ist, der Ludwig Dorian heißt …

11
    Auf 21 Uhr hatte Sassner die Operation angesetzt. Die Verwandlung eines Menschen in einen Vogel.
    »Ist alles klar, Schwester Teufelchen?« fragte er. In Gummischürze und Handschuhen, mit Kappe und Mundtuch stand er bereit. Luise lag festgeschnallt auf dem OP-Tisch, umgeben von vier Petroleumleuchten, deren Dochte blakten.
    Als Ilse Trapps zu Luise kam, einen Hammer in

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