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Das Schloß der blauen Vögel

Das Schloß der blauen Vögel

Titel: Das Schloß der blauen Vögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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der Hand und lächelnd sagte: »Nun bekommen Sie eine kleine Beruhigungsnarkose«, hatte einen Augenblick ihr Herzschlag ausgesetzt.
    »Sie haben mir versprochen, daß ich den Chefarzt vor der Operation sehe!« rief sie. »Ich bestehe darauf ihn vorher zu sprechen.«
    »Du wirst ihn sehen, mein Liebchen.« Ilse Trapps hob den Hammer. »Es ist nur, um dich ohne Schwierigkeiten in den OP zu bringen.«
    »Bitte, schlagen Sie nicht zu.« Luise sagte es ohne Aufschrei, sondern höflich, wie bei einer Unterhaltung. »Ich verspreche Ihnen, ohne Gegenwehr zum OP zu gehen.«
    Ilse Trapps wurde es unheimlich. Sie ließ den Hammer sinken und musterte die Frau, deren Tapferkeit ihr unverständlich war. »Es hat keinen Sinn, zu schreien«, sagte sie. »Weglaufen nützt auch nichts, … ich bin schneller. Und sich wehren … ich bin stark!«
    »Ich denke gar nicht daran, wegzulaufen.«
    »Dann sind Sie verrückt.«
    »Vielleicht. Was geschieht nun?«
    »Wir gehen zum OP. Der große Boss wartet schon.«
    »Bitte.« Luise Sassner streckte sich aus. »Binden Sie mich los. Ich komme freiwillig mit.«
    Ilse Trapps zögerte, aber dann löste sie die Lederschnüre und sah zu, wie sich Luise aufrichtete, aus dem Bett stieg und die Gelenke rieb. Sie hat eine schöne Figur, dachte Ilse hämisch. Nicht so aufreizend wie ich, aber schlank und biegsam, als habe sie viel Sport getrieben. Wer mag sie sein? Die Frau eines reichen Mannes? Eine selbständige Geschäftsfrau? Ihr Körper ist gepflegt, man sieht es sofort.
    »Kommen Sie!« sagte sie und zeigte zur Tür. »Gehen Sie voraus. Die vierte Tür links.«
    Langsam ging Luise Sassner über den dunklen Flur. Was in diesen Sekunden an Gedanken auf sie einstürmte, wer kann das je in wenigen Worten schildern? Ein ganzes Leben zog an ihr vorbei, zwanzig Jahre an der Seite eines Mannes, der gleich, in ein paar Minuten vielleicht, auch ihr Mörder werden sollte.
    An der vierten Tür blieb sie stehen. Ilse Trapps stieß sie auf.
    Der lange, breite Tisch mit den Lederschnüren.
    Die vier blakenden Lampen.
    Der ›Bestecktisch‹ mit den Messern, dem Beil, den Sägen.
    Ein Schlachthaus.
    Luise biß sich auf die Lippen und taumelte zum Tisch. Wie von ganz weit hörte sie Ilses Stimme.
    »Hinlegen …«
    Dann lag sie auf dem Tisch, nackt und angeschnallt. Im Nebenzimmer, dem ›Vorbereitungsraum‹, hörte sie Gerd Sassner rumoren. Er hüstelte leise. Das tut er immer, wenn er sehr aufgeregt ist, dachte Luise. Das hat sich also nicht geändert.
    Wie wird er aussehen? Werde ich ihn noch erkennen?
    Ilse Trapps ging ins Nebenzimmer. Sie kam nicht darüber hinweg, daß sich eine Frau so still und geduldig hinlegte, um sich zerstückeln zu lassen.
    Luise wandte den Kopf etwas zur Seite.
    Seine Stimme. Undeutlich, aber unverkennbar im Ton. Das tiefe, sonore Lachen, das so männlich und stark klang.
    »Die Frau ist mir unheimlich«, sagte Ilse Trapps gerade. »Sie legt sich freiwillig auf den Tisch.«
    »Ein Mensch, der den Wert seiner Verwandlung erkennt!« Sassner sah Ilse Trapps mit leuchtenden Augen an. »Welch ein Triumph, wenn sie sich morgen in die Luft erhebt. Ein blauer Vogel, in dem das Gold der Sonne schimmert!«
    »Sie weint gar nicht!« sagte Ilse trotzig.
    »Warum auch? In der Sternstunde der Menschheit heult man nicht. Können wir, Schwester Teufelchen?«
    »Wir können, großer Boss!«
    Mit kräftigen Schritten betrat Sassner den ›OP‹. Luises Kopf flog herum. Was sie erkannte war eine große, weiße Gestalt, zwei glühende Augen, die ihr entgegenstrahlten.
    Gerd Sassner beugte sich über sie und nickte väterlich.
    »Sie wollten mich sprechen, Madame?«
    »Ja.« Es war Luise, als habe sie keine Stimme mehr, als spräche sie die Worte nur nach innen, als saugten die Lungen sie einfach aus. Sie atmete tief, sah in die glühenden Augen und entdeckte nichts an diesem weißen Phantom, was sie an Sassner erinnerte. Aber er war es … es war seine Stimme, sein Tonfall.
    »Was wollten Sie mir sagen, Madame?« fragte Sassner höflich.
    Über Luises Gesicht glitt ein Lächeln. Es war so kindlich und fraulich zugleich, so unerhört in dieser Situation, daß Ilse Trapps die Fäuste gegen den Mund preßte.
    Und Luise sagte mit einer Stimme voller Zärtlichkeit:
    »Ich liebe dich … Gerd …«
    Ein paar Herzschläge lang war es völlig still im Zimmer. Die drei Menschen hielten den Atem an. Sassner beugte sich noch tiefer über Luise und starrte sie an. Fetzen von Erinnerungen jagten durch sein Hirn,

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