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Das Schloß der blauen Vögel

Das Schloß der blauen Vögel

Titel: Das Schloß der blauen Vögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sah den Schuh verständnislos an. »Wo haben Sie den denn her, Professor?« fragte er.
    »Geangelt …«
    »Au! Das ist ein alter Witz! Das tut direkt weh. Wollen Sie ihn ins Museum bringen?«
    »Nein.« Dorian beobachtete Sassner scharf. Jede Regung des Gesichts war wichtig. »Was halten Sie davon, wenn wir ihn verbrennen?«
    »Das stinkt erbärmlich.«
    »Oder besser: vergraben! Einfach zuschütten … verschütten …«
    In Sassners Gesicht regte sich nichts. Kein Erinnern, kein Entsetzen, keine Panik. Im Gegenteil, er lachte hell auf.
    »Sie haben einen schwarzen Humor, Professor! Wohlan, begraben wir ihn! Die ganze Familie gibt das Geleit. Wenn man bedenkt, was er alles erlebt hat am Fuße eines Christenmenschen … gönnen wir der alten Galosche Ruhe …«
    Am Waldrand hob Dorian eine kleine Grube aus und legte den Schuh hinein. Sassner schaufelte sie wieder zu. Nicht ein Funken Erinnerung an den Leutnant Benno Berneck kam dabei in ihm auf.
    »So, und jetzt ein Bier!« rief Sassner und schulterte den Spaten. »Professor, Sie haben mir eins versprochen! Und ich verspreche Ihnen auch etwas: Sie sollen das herrlichste Zischen meines Gaumens hören!«
    Während Dorian und Sassner mit schnellen Schritten zum Haus gingen, lehnte sich Luise an einen Baum und umfaßte ihre Kinder.
    »Er ist gesund …« stammelte sie. »Ihr habe euren Vater wieder … Es ist wie ein Wunder.«

4
    Am sechsten Tag nach diesem Beweis der Heilung geschah auf Hohenschwandt etwas Merkwürdiges.
    Zwei Kranke auf Zimmer 25 zeigten Lähmungserscheinungen. Ein sonst ruhiger Regierungsrat, der sich einbildete, ein neues Weltbild gefunden zu haben und die Erde mit einem Schweizer Käse verglich, begann über Nacht zu toben; er spuckte und kratzte und mußte festgebunden werden, weil er in seiner sinnlosen Wut den Versuch machte, sich selbst zu entmannen.
    Professor Dorian stand vor einem Rätsel. Mit Injektionen besänftigte man den tobenden Regierungsrat, die beiden Patienten mit den Lähmungen bekamen entkrampfende Mittel, denn als Psychiater dachte Dorian zuerst an eine hysterische Lähmung. Erst Dr. Kamphusen brachte das Entsetzliche ans Licht, er meldete es sofort dem Chef.
    »Ich habe die Kranken befragt«, sagte er. Wie immer, wenn er aufgeregt war, schwitzte er stark. »Sie sind vernehmungsfähig. Alle drei sagen aus, daß man ihnen in der Nacht vor dem Anfall eine Injektion gemacht habe …«
    »Eine was?« fragte Dorian ungläubig. Das gibt es doch gar nicht, dachte er gleichzeitig. Injektionen? In der Nacht?
    »Sie sagen aus, jemand sei in der Nacht zu ihnen ins Zimmer gekommen und habe ihnen intramuskulär eine Spritze gegeben. Darauf sei es ihnen übel geworden. Mehr wüßten sie nicht.«
    »Aber das ist doch Unsinn!« Dorian schnellte aus seinem Sessel.
    »Das habe ich auch zuerst gedacht. Ich habe die Kranken untersucht. Leider stimmt es, Herr Professor. Bei allen ist deutlich der Einstich zu sehen, bei einem bildet sich sogar ein kleines Spritzenhämatom. Unverkennbar …« Kamphusen wischte sich den Schweiß von der Stirn. Bei Dorian nahm er ein Taschentuch und nicht die bloße Hand. »Sie nennen sogar einen Namen …«
    »Kamphusen!« Dorian kam mit vorgestrecktem Kopf auf den Oberarzt zu. »Wenn das wahr ist … wenn … den Namen …«
    Kamphusens Lippen zuckten. Er war bleich geworden. »Herr Professor …« stotterte er. »Ich tue nur meine Pflicht …«
    »Den Namen!« schrie Dorian.
    Kamphusens Kopf sank auf die Brust. Jetzt schlägt ein Blitz ein.
    »Die Kranken sagen: Doktor Keller …«
    Professor Dorian blieb ruckartig stehen. Er machte den Eindruck, als habe ihn jemand vor die Brust gestoßen, und nun begreife er nicht, wie so etwas möglich sei, wie man ihn so behandeln könne. Sein Gesicht verzog sich wie nach einem stechenden Schmerz.
    »Doktor Keller …« wiederholte er dumpf.
    Kamphusen wackelte mit dem dicken Kopf. Seine Fischaugen quollen noch unangenehmer hervor. Er sah aus wie ein Riesenbarsch, den man aufs Trockene geworfen hatte. Bei Gott, er war ein häßlicher Mensch. »Ich kann nur wiedergeben, Herr Professor, was mir die Patienten gesagt haben«, stotterte er. »Ich habe natürlich überall zu erklären versucht, daß ein solcher Verdacht absoluter Irrsinn sei …«
    »Wie können Sie einem Irren einreden, daß er irrsinnig ist!« Dorian schüttelte den Kopf. Zu anderen Zeiten hätte man über diesen Sarkasmus gelacht, jetzt war er bitter ernst. »Und Doktor Keller?«
    »Ihm gegenüber habe ich

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