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Das Schloß der blauen Vögel

Das Schloß der blauen Vögel

Titel: Das Schloß der blauen Vögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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natürlich geschwiegen.«
    »Natürlich.« Dorian drehte sich um und ging zu seinem Schreibtisch zurück. Bernd Keller, dachte er dabei. Das ist unmöglich. Das ist absolut widersinnig. Zugegeben: Unser persönlicher Riß ist so tief, daß er nicht wieder zu flicken ist. Ich habe ihn mit höflichen Worten hinausgeworfen. Ich habe die Entlobung von Angela vorgeschlagen. Aber was es an äußeren Ereignissen auch gibt: Bernd Keller würde nie seine Rache über einen Kranken laufen lassen. Dazu ist er zu sehr mit der Seele Arzt.
    »Ich werde mit den Patienten selbst reden.« Dorian winkte energisch ab, als Kamphusen noch etwas entgegnen wollte. »Zu allen Stillschweigen, Kamphusen! Wo ist Doktor Keller jetzt?«
    »Er macht einen Elektroschock mit Nummer elf. Doktor Weinzel hilft ihm.«
    »Danke.« Dorian setzte sich. Kamphusen stand noch ein paar Sekunden herum, bis er merkte, daß er gehen konnte. Dorian blätterte in einem Schnellhefter und legte ihn erst weg, als Kamphusen das Zimmer verlassen hatte.
    Ihn mag ich noch weniger, dachte Dorian. Welch ein Leben ist das! Der eine Oberarzt ist ein Könner und mein zukünftiger Schwiegersohn und betätigt sich als Bremse meiner Forschungen … der andere Oberarzt ist ein widerlicher Schleimlecker, der mich noch bejubeln würde, wenn ich Tumore mit der bloßen Hand aus dem Hirn pflückte. Drum herum ein kleines Heer von weißen Mänteln, Schürzen und Hauben, Gesichter, die man sich kaum merkt, weil sie immer nicken und ja sagen. Das Leben eines Klinikchefs, von Millionen beneidet und erträumt … o Himmel, wenn ihr alle wüßtet, wie einsam man da oben ist, auf dem Thron der Medizin, wo jedes Fingerzucken, jeder Wimpernschlag beobachtet und registriert wird und jedes Wort gewogen wird, ob es Gold genug enthält, um breitgewalzt zu werden.
    Professor Dorian besuchte zuerst den Regierungsrat auf dessen Zimmer. Der Kranke lag angezogen auf dem Bett und starrte an die Decke. Daß jemand sein Zimmer betrat, störte ihn nicht. Ab und zu schnalzte er mit den Fingern und nickte zufrieden.
    »Guten Morgen, Regierungsrat«, sagte Dorian, zog einen Stuhl heran und setzte sich ans Bett. »Sie sind bester Laune, wie ich sehe.«
    »Professor, ich bin nahe daran, die Entstehung der Welt erklären zu können.«
    »Lassen Sie hören …«
    Der Regierungsrat, der die Welt mit einem Schweizer Käse verglich, wandte den Kopf zu Dorian. Dann richtete er sich auf. »Zuerst war ein Milchkloß«, sagte er. »Er ging in Gärung über … das war die vulkanische Geburt der Welt! Ein Tropfen der Milchstraße machte sich selbständig, verkäste und gärte. Wir sind immer noch im Stadium der Gärung.«
    »Eine verblüffend logische Theorie.«
    »Die Wahrheit, Professor! Die Wahrheit!« Der Regierungsrat legte sich wieder auf den Rücken. Dorian beugte sich vor.
    »Man hat Ihnen gestern eine Spritze gegeben?«
    »Ja. Doktor Keller.« Der Regierungsrat schnalzte mit den Fingern. »Ich überlege, was aus unserer Erde wird, wenn sie zu weich wird. Sie müßte bei einem gewissen Grad der Übergärung zerfließen.«
    »Sicherlich.« Dorian lehnte sich zurück. »Sie haben Doktor Keller erkannt?«
    »Nein, es war ja stockdunkel im Zimmer.«
    »Ach! Aber wieso wissen Sie dann, daß es Doktor Keller war?«
    »Ich fragte ihn. Was wollen Sie, sagte ich. Mitten in der Nacht eine Injektion? Wer sind Sie? Ich konnte ja nichts sehen.«
    »Und da nannte er seinen Namen?«
    »Wie es bei einem höflichen Menschen üblich ist.«
    »Und dann spritzte er?«
    »Ja.«
    »Im Dunkeln?«
    »In völliger Dunkelheit. Wozu auch Licht? Ein Hintern ist groß genug … man trifft ihn auch ohne Lampe. Dann wurde ich müde, und ja, nun erzählt man mir, daß ich mich ausruhen solle. Professor …« Der Regierungsrat drehte den Kopf wieder zu Dorian, seine Augenbrauen hoben sich wie bei einer wichtigen Mitteilung: »Wenn es gelingt, Gärungsbakterien in die Milchstraße zu bringen und sie zu verkäsen, könnten wir einen unermeßlichen neuen Lebensraum gewinnen.«
    »Ein phänomenaler Gedanke.« Dorian erhob sich. »Ich würde ihn schriftlich fixieren, Regierungsrat.«
    Nachdenklich verließ Dorian das Zimmer. Was hier geschehen war, entbehrte jeglicher Logik. Da kommt ein Mann nachts in die Krankenzimmer, macht kein Licht, um nicht erkannt zu werden, nennt aber seinen Namen, gibt eine Injektion und macht durch sie friedliche Kranke zu tobenden Berserkern. Das alles reimt sich nicht zusammen, ist widersinnig, dumm … und trotzdem

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